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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten
Autoren: Brent Weeks
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verweilte bei einem schwarzen Gedanken. »›Gunder‹. Ich schätze, jetzt, da alle Gunders tot sind, werden sie sie nicht mehr so nennen.« Er seufzte.
    »Du willst wissen, ob du das Richtige getan hast«, bemerkte Elene.
    »Ja.«
    »Kylar, es wird immer Menschen geben, die so schlecht sind, dass sie unserer Meinung nach den Tod verdient haben. In der Burg, als Roth dir wehtat, war ich so nahe daran, zu versuchen, ihn selbst zu töten. Wenn es nur ein Weilchen länger gedauert hätte … Ich weiß nicht. Eines jedoch weiß ich mit Bestimmtheit: was du mir darüber erzählt hast, was das Morden mit deiner Seele gemacht hat. Ganz gleich, wie gut es für die Welt zu sein scheint, dich zerstört es. Dabei kann ich nicht zusehen, Kylar. Ich werde nicht dabei zusehen. Dafür bedeutest du mir zu viel.«
    Es war eine der Bedingungen gewesen, die Elene gestellt hatte, bevor sie mit Kylar die Stadt verlassen würde: dass er das Morden und die Gewalttätigkeit aufgab. Er war immer noch so verwirrt. Er wusste nicht, ob Elenes Weg der richtige war, aber er hatte genug gesehen, um zu wissen, dass Durzos und Momma Ks Weg es nicht war. »Glaubst du wirklich, dass Gewalt Gewalt erzeugt? Dass am Ende weniger unschuldige Menschen sterben werden, wenn ich das Morden aufgebe?«
    »Ja, das glaube ich wirklich«, antwortete Elene.
    »In Ordnung«, sagte Kylar. »Dann muss ich heute Nacht noch einen Auftrag erledigen. Wir sollten morgen früh aufbrechen können.«

3
    »Das Arschloch der Hölle« war kein Ort für einen König. Passenderweise war das Loch das unterste Ende des Gefängnisses, das die Cenarier den Schlund nannten. Der Eingang zum Schlund war eine aus gezacktem, schwarzem Feuerglas gemeißelte Fratze. Gefangene wurden direkt in sein offenes Maul geführt, eine Rampe hinunter, die häufig glitschig war, weil die Unglücklichen in besinnungsloser Furcht die Kontrolle über ihre Blase verloren. Im Loch selbst hatte man auf die Kunst des Steinmetzes verzichten können; die Enge, die Dunkelheit, die Höhe und das unheimliche Heulen des aus den Tiefen emporsteigenden Windes reichten, um eine tief sitzende Angst hervorzurufen, und ein Übriges tat das Wissen, dass jeder Gefangene, der hier den Neuankömmling erwartete, eines sauberen Todes für unwürdig befunden worden war. Das Loch war gnadenlos heiß und stank nach Schwefel und menschlichem Dreck in seiner dreifachen Form: Scheiße, Tod und ungewaschenes Fleisch. Es gab nur eine einzige Fackel weit oben auf der anderen Seite des Gitters, das die menschlichen Tiere im »Arschloch« von den übrigen Gefangenen im Schlund trennte.
    Elf Männer und eine Frau teilten das Loch mit Logan Gyre. Sie hassten ihn wegen seines Messers, seines kräftigen Körpers und seines kultivierten Akzents. Irgendwie war er
selbst in dieser albtraumhaften Menagerie von Ungeheuern und Verrückten anders und isoliert.
    Logan saß an die Wand gelehnt da. Es gab nur eine einzige Wand, weil das Loch rund war. In der Mitte befand sich ein fünf Schritt breites Loch, das in einen Schacht führte. Dessen absolut lotrechte Wand bestand aus absolut reinem Feuerglas. Wie tief der Schacht war, konnte man nicht erahnen. Wenn die Gefangenen ihre Exkremente in das Loch traten, verschwanden diese geräuschlos - kein Laut kündete von einer Landung irgendwo in der Tiefe. Das Einzige, was dem Loch entkam, waren der Gestank einer schwefligen Hölle und das unablässige Heulen des Windes, der Geister oder der gequälten Seelen der Toten, oder was immer es mochte, was dieses Geräusch verursachte, das einem den Verstand raubte.
    Zuerst hatte Logan sich gefragt, warum seine Gefährten hier ihre Notdurft an der Wand verrichteten und die Fäkalien erst später - wenn überhaupt je - in das Loch hinuntertraten. Als er das erste Mal hatte hingehen müssen, hatte er es begriffen: Man musste wahnsinnig sein, um in der Nähe des Lochs in die Hocke zu gehen. Man konnte hier unten nichts tun, um sich noch verletzbarer zu machen. Wenn ein Insasse an einem anderen vorbeigehen musste, schlurfte er schnell und argwöhnisch vorüber, und er knurrte, zischte und fluchte in einer solchen Abfolge, dass die Worte ihre Bedeutung verloren. Einen anderen Insassen in das Loch zu stoßen, war die einfachste Art zu töten.
    Schlimmer wurde das Ganze noch dadurch, dass der Felskragen, der um das Loch herumlief, nur drei Schritt breit war und zum Loch hin abfiel. Dieser Felskragen war für die Insassen des Lochs die ganze Welt. Er war die dünne,
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