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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten
Autoren: Brent Weeks
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glitschige Schräge hinab in den Tod. Logan hatte in den sieben Tagen
seit dem Überfall auf die Burg nicht geschlafen. Er blinzelte. Sieben Tage. Langsam wurde er schwach. Selbst Fin, der den größten Teil des letzten Fleisches bekommen hatte, hatte seit vier Tagen nichts mehr gegessen.
    »Du bringst Pech, Dreizehn«, sagte Fin und funkelte ihn über den Abgrund hinweg an. »Seit du hergekommen bist, haben sie uns nichts mehr zu essen gegeben.« Fin war der Einzige, der ihn Dreizehn nannte. Die Übrigen hatten den Namen akzeptiert, den er sich selbst in einem Augenblick des Wahnsinns gegeben hatte: König.
    »Du meinst, seit du den letzten Wachposten gegessen hast?«, fragte Logan. »Du denkst, das könnte etwas damit zu tun haben?«
    Dies entlockte allen ein Kichern, nur nicht dem einfältigen Knirscher, der lediglich mit zu scharfen, spitzen, abgefeilten Zähnen ausdruckslos lächelte. Fin sagte nichts, sondern kaute nur weiter an dem Seil in seinen Händen. Der Mann trug eine ganze Spule Seil am Leib, die so dick war, dass sie seinen Körper, der beinahe so sehnig war wie die Seile selbst, fast völlig verdeckte. Fin war der gefürchtetste unter den Insassen. Logan wollte ihn nicht den Anführer nennen, weil das bedeutet hätte, dass es unter den Insassen eine gesellschaftliche Ordnung gab. Die Männer waren wie Tiere: zottig, ihre Haut so schmutzig, dass er nicht erraten konnte, welche Farbe sie vor ihrer Einkerkerung gehabt hatte, die Augen wild, die Ohren gespitzt, um noch das leiseste Geräusch aufzufangen. Alle hatten einen leichten Schlaf. Sie hatten seit dem Tag, an dem er hergekommen war, zwei Männer gegessen.
    Hergekommen? Ich bin selbst hineingesprungen. Ich hätte einen schönen, sauberen Tod haben können. Jetzt sitze ich hier für immer fest oder zumindest bis zu dem Tag, an dem sie mich verspeisen. Götter, sie werden mich essen!

    Eine Bewegung auf der anderen Seite des Lochs lenkte ihn von seinem wachsenden Entsetzen und seiner Verzweiflung ab. Es war Lilly. Sie allein klammerte sich nicht an die Wand. Sie hatte keine Angst vor dem Loch. Ein Mann streckte eine Hand aus und packte ihr Kleid. »Nicht jetzt, Jake«, sagte sie zu dem Einäugigen.
    Jake hielt sie noch einen Moment länger fest, aber als sie eine Augenbraue hochzog, ließ er die Hand sinken und fluchte. Lilly setzte sich neben Logan. Sie war eine reizlose Frau von unbestimmbarem Alter. Sie hätte fünfzig sein können, aber Logan vermutete, dass sie den zwanzig näher war: Sie hatte noch immer die meisten ihrer Zähne.
    Lange Zeit schwieg sie. Dann, als sich das Interesse an der Frage gelegt hatte, warum sie sich bewegt hatte, kratzte sie sich geistesabwesend im Schritt und fragte: »Was wirst du tun?« Ihre Stimme war jung.
    »Ich werde von hier fortkommen, und ich werde mir mein Land zurückholen«, antwortete er.
    »Du hältst wirklich an diesem Königsscheiß fest«, sagte sie. »Die anderen halten dich deshalb für verrückt. Ich sehe, dass du dich wie ein verlorener kleiner Junge umschaust. Du lebst mit Tieren. Wenn du am Leben bleiben willst, musst du ein Ungeheuer sein. Wenn du etwas festhalten willst, musst du es tief vergraben. Dann tu, was du tun musst.« Sie tätschelte sein Knie und ging zu Jake hinüber.
    Sekunden später begann sich Jake über ihr mit heftigen Stößen zu bewegen. Die Tiere kümmerten sich nicht darum. Sie schauten nicht einmal zu.
     
     
    Der Wahnsinn holte ihn ein. Einzig der Instinkt hielt Dorian im Sattel. Die äußere Welt wirkte fern, unwichtig, begraben
unter Nebel, während die Visionen nahe waren, kraftvoll, lebendig. Das Spiel hatte begonnen, und die Steine bewegten sich, und Dorians Vision dehnte sich aus, wie sie es noch nie zuvor getan hatte. Der Nachtengel würde nach Caernarvon fliehen, und seine Kräfte wuchsen, aber er benutzte sie nicht.
    Was tust du, Junge? Dorian hielt sich an diesem Leben fest und folgte ihm rückwärts. Er hatte einmal mit Kylar gesprochen und seinen Tod prophezeit. Jetzt wusste er, warum er nicht auch vorhergesehen hatte, dass dieser Nachtengel sterben und doch nicht sterben würde. Durzo hatte ihn verwirrt. Dorian hatte gesehen, wie Durzos Leben sich mit anderen Leben überkreuzte. Er hatte es gesehen, aber er hatte es nicht verstanden.
    Er fühlte sich versucht, sich zu bemühen, Durzos Leben zurück zu seinem ersten Leben zu folgen, als Durzo den Ka’kari empfangen hatte, den jetzt Kylar trug. Er fühlte sich versucht festzustellen, ob er das Leben Ezras des
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