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Am Meer ist es wärmer

Titel: Am Meer ist es wärmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiromi Kawakami
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verheiratet.
    Ich trat an die Vitrine heran, um die Puppen näher zu betrachten. Kaiser und Kaiserin waren größer als die Untertanen. Zwei der drei Hofdamen standen. Eine hielt einen langstieligen, die andere einen vergoldeten Sake-Löffel. Das Gold war abgeblättert. Auf der Stufe unter ihnen saßen fünf Musiker, einer mit Querflöte, zwei mit Trommeln, einer hielt einen Fächer, und zwei hatten ein Plektrum. Es gab drei Diener, die von einem Kirsch und einem Orangenbäumchen flankiert waren. Der mittlere präsentierte mit beiden Händen ein Paar Puppenschuhe aus Lack. Die Gesichter der Puppen waren weiß glasiert, ihre Augen mit Glas eingelegt.
    »Die Kaiserin hat ein hübsches Gesicht.«
    »Sie ähnelt ein bisschen meiner Frau.«
    Früher hatte ich einmal Fotos von Rei gesehen. Als Kind hatte er ein rundes pausbäckiges Gesichtchen und einen Pagenkopf. Er sei damals oft für ein Mädchen gehalten worden, hatte er sich beklagt.
    »Rei sah meiner Frau ähnlich. Viel mehr als Saki.«
    Wo war Reis Fotoalbum geblieben? Hatte er es mitgenommen, als er verschwand? Ob er seine Vergangenheit mit an diesen unbekannten Ort genommen hatte?
    Sein Vater verbeugte sich fast bis zum Boden, um sich bei mir für das Verschwinden seines Sohnes zu entschuldigen.
    »Bitte, tun Sie das nicht«, sagte ich. »Ich trage doch genauso Schuld.« Er hob den Kopf und sah mir ins Gesicht.
    Die Präsenz war zwar ganz schwach, aber einen Moment lang war sie wieder da, verschwand aber sofort. Die beiden Papierlaternen neben dem Kaiser und der Kaiserin waren mit feine Mustern in roter Farbe bemalt. Es konnten herabfallende Blüten sein, aber auch kleine Flammen, wie die, die im Kern der Wesen brannten, die mich verfolgten. Es war so dämmerig in dem Altarzimmer, dass ich es nicht zu erkennen vermochte.
    Die beiden Diener links und rechts außen trugen Zeremonienschirme und schauten, die Lippen fest geschlossen, mit ernstem Blick geradeaus. Die Puppen sahen sich alle ähnlich. Reglos saßen oder standen Kaiser, Kaiserin, Diener und Hofdamen in ihrer Vitrine. Wahrscheinlich würde ich Rei niemals Wiedersehen. Um das zu erfahren, war ich den ganzen Weg hierher gekommen.
    Auch als ich die Augen schloss, sah ich die weißen Gesichter der Hina-Puppen noch vor mir.
    Unser Hotel lag ein Stück vom Bahnhof entfernt. Wieder auf dem Zimmer, zog ich meine Schuhe aus und legte mich aufs Bett.
    Ich versuchte, Seiji anzurufen, aber er meldete sich nicht. Anschließend schlief ich sofort ein und träumte von der alten Dame im Park. Auch in meinem Traum rastete sie auf den Stufen. Die Umgebung war nicht verschwommen und unwirklich, wie es in Träumen häufig der Fall ist. Stattdessen wirkten die Hänge, die Häuser und das Meer, das sich darunter erstreckte, äußerst real, und auch die Perspektive stimmte genau.
    »Wohin werden Sie jetzt gehen?«, fragte ich die alte Frau.
    »Ich will zurück.«
    »Wohin?«
    »Dorthin, wo ich früher war.«
    »Ist Rei auch dorthin zurückgekehrt, wo er früher war?«
    »Wie es bei anderen ist, weiß ich nicht.«
    Obwohl das Gespräch im Traum stattfand, war es nicht verworren, sondern ganz klar. Träumend dachte ich sogar über diese Klarheit nach und wusste dabei genau, dass ich träumte.
    Mein Handy klingelte. Ich streckte die Hand danach aus, aber ich erreichte es nicht. Ich konnte nicht aufwachen.
    Es klingelte lange. Erst als es aufhörte, wachte ich auf. Eilig rief ich die Nummer an. Es war nicht die von Seiji. »Zuhause« stand auf dem Display.
    »Oma hat Fieber«, war das Erste, was Momo sagte, als ich anrief.
    »Wie hoch?«
    »38,2.«
    »Geht es ihr schlecht?«
    »Nein, sie ist ganz munter.«
    Im Hintergrund ertönte die Stimme meiner Mutter: »Ich habe dir doch gesagt, dass du sie nicht anzurufen brauchst. Ich war doch auch schon beim Arzt.« Sie klang wirklich recht munter. Ich musste lachen, und Momo ärgerte sich. »Du solltest dich mehr um Oma sorgen«, sagte sie.
    »Sei nicht kindisch«, lag es mir auf der Zunge, aber ich schluckte es herunter. »Es ist lieb vor dir, dass du dich so um Oma kümmerst«, sagte ich stattdessen in ernstem Ton. Ich hatte das Gefühl, Reis Schatten sei endgültig verschwunden. Obwohl Momo ihm glich, wie eine Hina-Puppe der anderen, hatten sie fast nichts Gemeinsames mehr.
    »Pass gut auf Oma auf. Und ruf mich jederzeit an«, sagte ich sanft und legte auf. Etwas gesellte sich zu mir. Etwas Weiches, Sanftes. Das musste an meinen liebevollen Gefühlen liegen. Vielleicht konnte ich mich

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