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Am Meer ist es wärmer

Titel: Am Meer ist es wärmer
Autoren: Hiromi Kawakami
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Täschchen im Partnerlook. Ihre Freundin hatte das gleiche. Meine Mutter steppte Spüllappen aus alten Handtüchern, und ich fertigte eine Tasche zum Aufbewahren von Plastiktüten an. Die Idee stammte aus einer Zeitschrift.
    »Filz finde ich süß«, sagte Momo.
    Bewahrte man gefaltete Plastiktüten in einer Schublade auf, schlugen sich die winzigen an den Tüten haftenden Staubpartikel allmählich auf dem Boden der Schublade nieder.
    »Ich mag das Rascheln von Supermarkttüten«, sagte Momo.
    Sie war heute außergewöhnlich gesprächig und drückte sich auch ziemlich gut aus. Bald würde sie alles Kindliche hinter sich lassen.
    Wir hatten unsere Stühle im Kreis aufgestellt, so dass wir einander sehen konnten. Momo schlenkerte mit den Beinen, während meine Mutter ihre auf dem Stuhl untergeschlagen hatte. Ich bestickte den hellbraunen Filz mit dunkelbraunem Garn.
    »Was wünschst du dir denn zu deinem siebzehnten Geburtstag?«, fragte ich.
    »Ja, was soll ich mir wünschen?«, fragte Momo fast flüsternd.
    »Druckknöpfe sind schwierig. Man findet nie die richtige Stelle«, fügte sie leise hinzu. Just in dem Moment stach sie sich in den Finger. Sie verzog das Gesicht, steckte ihn in den Mund und lutschte daran.
    »Es ist gar nicht so einfach, das Richtige zu finden«, sagte sie, den Finger zwischen den weichen Lippen.
    »Such dir etwas Einfaches aus.« Meine Mutter lachte. Sie machte einen Knoten und schnitt den Faden ab, mit dem sie den Lappen gesteppt hatte. Er war indigoblau.
    Die Farbe passte sehr gut zu dem verwaschenen weißen Stoff.
    »Ich möchte mich gern vor Reis Totentafel verneigen«, sagte ich zu Seiji.
    Wir trafen uns, weil ich die erste Fassung des Romans fertig hatte, zu dem er mich angeregt hatte.
    »Soll ich gleich lesen oder erst, wenn du gegangen bist?«, fragte er.
    »Gleich«, erwiderte ich.
    Durch das Raunen im Cafe drang wie Luftbläschen, die im Wasser aufsteigen, ab und zu das Rascheln des Papiers an mein Ohr. Seiji las mit ruhigem Blick. Manchmal blätterte er zurück, um eine Stelle noch einmal anzuschauen, doch dann las er dort nicht weiter, wo er aufgehört hatte, sondern las die Passage dazwischen ohne Hast ein zweites Mal durch.
    Als er zu Ende gelesen hatte, nahm er einen Schluck von seinem Getränk.
    »Eine seltsame Geschichte.«
    »Findest du?«
    »Mitunter wird im Schatten etwas sichtbar, das im Hellen verborgen war.«
    »Soll das ein Lob oder eine Kritik sein?« Ich lachte.
    »Keine Ahnung.« Seiji lachte ebenfalls.
    Hatte ich eine Geschichte einmal fertig geschrieben, war es mir nicht mehr wichtig, ob sie gut oder schlecht war. Meine Anspannung rührte eher von Seijis Gegenwart her.
    Reis Totentafel hatte ich nur erwähnt, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. Seiji hob das Gesicht. Obwohl wir einander gegenüber saßen, hatte ich bisher nicht gewagt, ihm in die Augen zu schauen. Doch nun blickte er so rasch auf, dass ich seinem Blick nicht rechtzeitig ausweichen konnte.
    »Soll ich mitkommen?«, fragte er spontan.
    »Bitte?«
    »Der Ort liegt an der Inlandsee, oder?«
    Mir fiel ein, dass Seiji einmal geäußert hatte, die Stadt besuchen zu wollen. Die Stadt am Hang, die stets von weißlichem Sonnenlicht beschienen war.
    »Du meinst, wir wollen zusammen hinfahren?«
    »Geht das nicht?«
    Aber er hatte sich doch von mir getrennt! Seiji führte seinen schlanken Finger durch den Henkel seiner Tasse und hob sie zum Mund. Beim Trinken reckte er ein wenig den Hals. Ich hätte ihn gern berührt, verbot es mir aber.
    »Doch, natürlich. Fahren wir zusammen«, antwortete ich.
    Es klirrte leise, als er die Tasse auf dem Untersetzer abstellte.
    Die Rollbahn war breit und hell.
    Eine Maschine schwang sich in die Lüfte wie ein Schwan. Wir beobachteten, wie sie langsam davonflog.
    Seiji hatte eine ziemlich große Tasche dabei.
    »Du hast aber nicht viel Gepäck«, sagte er.
    Ich trug eine schwarze Tasche von der Größe einer Aktenmappe bei mir. Darin befanden sich nur Unterwäsche zum Wechseln und ein Leinentaschentuch von Rei. Ich besaß sonst kaum noch etwas von ihm. Einen Teil seiner Sachen hatte ich fünf Jahre nach seinem Verschwinden fortgegeben, nach weiteren fünf Jahren entsorgte ich das meiste, was noch übrig war. Nur seine Tagebücher und ein paar Kleinigkeiten, die nicht viel Platz Wegnahmen, hatte ich aufgehoben.
    Als ich mich neben Seiji setzte, wehte mir ganz schwach ein Geruch entgehen. Er war sofort wieder verschwunden.
    »Mir ist kalt«, sagte ich. Seiji
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