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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit
Autoren: Jorge Molist
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ihren Armbrüsten bewaffnet hatten und sich vorsichtig voranbewegten.
    Sie drangen zu der Stelle vor, wo der Weg zum Dorf hinabführte. Von dort aus versuchten sie, durch die Bäume zu beobachten, was unten geschah.
    »Sie werden nicht lange bleiben«, sagte Tomás.
    »Vom Ausguck unten können wir sie sehen!«, rief Joan.
    »Nicht so laut«, brummte Daniel. »Gehen wir also nach unten, aber langsam.«
    Die Männer bewegten sich am Wegesrand entlang, weil sie nicht in einen Hinterhalt geraten wollten. Sie kamen zum Ausguck. Von dort aus war das Dorf zu sehen. Es waren viele. Tomás erklärte, es seien über hundert Piraten. Sie sahen wie Ameisen aus: Sie gingen in die Häuser, kamen heraus, trugen Sachen zusammen und eilten am Strand entlang, um die Galeere mit dem zu beladen, was sie geraubt hatten. Das Meer war ruhig, tiefblau, und Joan entdeckte eine reglose Menschengruppe auf dem Sand.
    »Seht«, schrie er. »Sie halten sie dort fest, am Strand!«
    »Schrei nicht so!«, warnte ihn Daniel erneut.
    »Ich kann sie nicht genau erkennen«, sagte Tomás.
    »Ich schon! Das sind sie, das sind sie!«, wiederholte Joan hartnäckig.
    »Laufen wir weiter nach unten, aber vorsichtig«, schlug Tomás vor.
    Es war derselbe Weg, auf dem sie in den Hinterhalt geraten waren. Sie brauchten ihn nur weiterzugehen, und sie würden zu der Stelle kommen, wo sein Vater zu Boden gestürzt war. Joan rannte los.
    Er begann zu beten, während er keuchend und so schnell, wie er konnte, nach unten rannte. »Mein Gott, gib, dass er nicht tot ist! Bitte, Herr, gib, dass er gesund wird!«
    Als Joan den auf der Erde liegenden Körper entdeckte, konnte er kaum atmen. Er sah, dass sein Vater an derselben Stelle lag, wo ihn jener schreckliche Donnerschlag niedergeworfen hatte. Er ruhte auf dem Rücken, auf einer blutbefleckten Schicht aus Piniennadeln. Er hielt die Augen geschlossen und deckte mit den Händen eine große Wunde zwischen der unteren Rippengegend und dem Bauch zu. Das Panzerhemd, dem Joan Zauberkräfte zugeschrieben und das Ramón sorgfältig behütet hatte, hatte ihm nichts genützt. »Papa!«, murmelte er.
    Der Junge bekam keine Antwort. Er näherte sich, um seinem Vater die Wange zu streicheln. Seine Augen öffneten sich mühsam, und er blickte ihn an.
    »Joan«, hauchte er. »Joan.«
    »Du lebst!«, schrie Joan und rief danach den anderen zu, die schon herankamen. »Mein Vater lebt!«
    Er ergriff seine Hand. Sie war eiskalt. Tomás lief zu ihnen. Er hatte gerötete Augen, und als er seinen Freund ansah, füllten sie sich mit Tränen. Die Erleichterung, die Joan verspürt hatte, als er entdeckte, dass sein Vater lebte, verschwand ganz schnell. Es ging ihm gewiss sehr schlecht.
    »Wir müssen uns um ihn kümmern!«, sagte er. Keiner antwortete.
    »Wasser«, verlangte Ramón. »Gebt mir Wasser.«
    »Wasser!«, schrie der Kleine.
    Und mit einem Sprung riss er den Wasserschlauch an sich, den Daniel mitgebracht hatte. Er ließ etwas Wasser in den Mund seines Vaters tropfen, aber das brachte ihn zum Husten. Danach seufzte Ramón und schloss die Augen.
    »Papa! Papa! Du wirst wieder gesund.«
    »Wo sind deine Mutter und die Kinder?«
    »Oben, sie haben sich in den Turm gerettet«, log Tomás, ohne dass er den Jungen antworten ließ.
    Die Sarazenen hatten die Armbrüste mitgenommen, aber den Spieß seines Vaters liegen lassen, gerade die Waffe, die der Junge für so mächtig hielt.
    »Joan«, murmelte der Vater und wandte den Kopf, weil er seinem Sohn in die Augen sehen wollte.
    »Ja, Papa.«
    »Du bist ein tapferer Junge. Ich bin stolz auf dich.« Er atmete tief durch. »Sag deiner Mutter und deinen Geschwistern, dass ich euch sehr liebe.«
    Er hustete, und aus seinem Mund rann Blut.
    »Stirb nicht! Wir bringen dich zum Turm.«
    Ramón keuchte und blickte zum Himmel.
    »Die Möwen«, stieß er hervor und suchte mit den Augen den Himmel ab. »Sie sind frei von ihrer Geburt an, wir aber müssen für unsere Freiheit kämpfen.«
    Ramón atmete mühsam, und Joan schluchzte.
    »Versprich mir, dass du frei sein wirst.«
    »Ich verspreche es. Aber stirb nicht, Papa. Bitte stirb nicht.«
    »Kümmere dich um sie«, flüsterte der Mann.
    »Ja, Papa.«
    Der Vater schloss die Augen und lächelte leicht. Dann schwieg er, während Joan ängstlich seine kalte Hand streichelte.
    Schließlich nahm Ramón alle Kraft zusammen, um doch noch etwas zu sagen.
    »Ich verlasse mich auf dich.«
    Er holte noch einmal tief Luft und atmete dann kräftig aus. Es klang,
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