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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit
Autoren: Jorge Molist
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seinen kleinen Spieß in der Hand und blieb wie gelähmt hinter den Männern stehen, die den Sarazenen entgegenrannten. Zum ersten Mal sah er Mauren. Sie waren keine Mohren, wie er sich vorgestellt hatte, sondern hatten fast dieselbe Hautfarbe wie er. Ein paar trugen einen Turban, und sie waren so nahe, dass er ihre Gesichter deutlich erkennen konnte.
    »Joan, Gabriel!«, hörte er seine Mutter rufen.
    »Geh zu ihr!«, sagte er zu seinem Bruder und stieß ihn in die Richtung, in der die anderen flohen.
    Ramón wusste, dass die Lage hoffnungslos war. Der Feind hatte sich vorbereitet, während seinen Männern keine Zeit blieb, um ihre Armbrüste und Bogen zu spannen. Er hatte keine andere Wahl, als auf die Feinde loszustürzen, um sie zu überwältigen – und genau das tat er, während er mit aller Kraft schrie.
    Er blieb stehen, als er den richtigen Abstand erreicht hatte, und mit seinem kräftigen Arm schleuderte er die Azcona. Einer der Sarazenen schrie, und die Federn der Armbrüste schnalzten, als sie ihre Pfeile abschossen. Die Azcona bohrte sich in die Schulter eines Mauren, der mit einem Klagelaut zu Boden fiel. Ramón lief weiter, zog sein Schwert und stürzte sich auf einen anderen Piraten. Ein Geschoss streifte ihn. Zwei der Männer, die ihm folgten, wurden von Pfeilen getroffen und stürzten. Nachdem die Sarazenen den Azconas der Dörfler ausgewichen waren, stürmten sie mit dem Schwert in der Hand auf sie los.
    Ramóns kühne und unerschrockene Haltung beeindruckte Joan. Er war sicher, die tapferen Fischer würden die Sarazenen in die Flucht schlagen. Doch dann beobachtete er, wie einer der Piraten nicht das Schwert zog, sondern ein sonderbares Gerät gepackt hielt und ein Knie auf den Boden stemmte. Nie würde er das Gesicht dieses Kerls vergessen, das spitz war und eine Narbe in der Höhlung hatte, in der sich sein linkes Auge hätte befinden müssen. Ein Blitz sprang zwischen seinen Händen hervor, und ein entsetzlicher Donnerschlag ließ Joan erschaudern. Die sonderbare Waffe des Sarazenen rauchte.
    Ramón stöhnte auf. Er stand still, das Schwert rutschte ihm aus der Hand, und gleich danach brach er zusammen. Joan beobachtete ungläubig, wie sein Vater zu Boden stürzte. Halb staunend und halb schreckensstarr blickte er den Mauren an. Als er erkannte, dass der andere das Gesicht zu einem Grinsen verzog, wurde ihm klar, dass sein Vater nicht wieder aufstehen würde.
    Die Fischer hatten nie zuvor ein derartiges Getöse gehört. Sie blieben reglos stehen, und als die Piraten über sie herfielen und aus Leibeskräften schrien, flohen sie entsetzt. Panische Angst ergriff Joan. Obwohl er sich danach sehnte, seinem Vater beizustehen, überwältigte ihn eine furchtbare Panik. Seine Nachbarn rannten davon, um ihr Leben zu retten. Keiner blieb, um Widerstand zu leisten, und so ließ schließlich auch er seinen Spieß fallen und rannte ihnen in einem verzweifelten Lauf zum Berggipfel hinterher.
    Bald geriet er in das wilde Durcheinander von Verfolgern und Verfolgten. Beinahe gleichzeitig mit den Sarazenen erreichte er seine Mutter und seine Geschwister. Die Angreifer überholten sie, um ihnen weiter oben den Weg zu versperren. Einige Dörfler konnten den Weg hinauf entkommen, die Übrigen mussten jedoch umkehren, weil die Männer sie von oben her bedrohten. Nun kamen unter großem Geschrei auch die vor kurzem gelandeten Piraten heran.
    »Joan!«, schrie die Mutter. Sie hielt Isabel fest, die an ihrer Brust weinte. »Komm mit Gabriel. Lauf, schnell!«
    Joan betrachtete das schreckensverzerrte Gesicht dieser Frau, die er so innig liebte, und ihre angstvolle Miene sollte sich ihm tief ins Gedächtnis einprägen. Er lief hinter ihr her. Zusammen rannten sie bergab, außerhalb des Weges, über den steilen Abhang, der mit großen Steinen und Dornbüschen bedeckt war. Als ihnen die Mauren nachsetzten, verlor seine Mutter das Gleichgewicht. Mit einem Klagelaut stürzte sie zu Boden.
    Joan brüllte seinen Geschwistern zu, nicht stehen zu bleiben. Er rannte weiter zwischen den Steinen hinunter, in die Richtung, in die auch die anderen flohen. Er hörte, wie María neben ihm schrie, und als sich ihre Blicke trafen, sah er ihre angstverzerrte Miene: In einer stummen Bitte streckte sie ihm die Hand hin, während sie versuchte, sich dem Griff eines Sarazenen zu entwinden, der sie am anderen Arm festhielt.
    »María!«, rief er und wollte ihr zu Hilfe eilen. Doch er merkte, wie ihn Gabriel an der anderen Hand zog. Joan
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