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Am Ende zählt nur das Leben

Am Ende zählt nur das Leben

Titel: Am Ende zählt nur das Leben
Autoren: Katja B.
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hätte!
    Seine Geldverschwendung passte ebenfalls in die Symptomatik. Wenn ich doch nur etwas von den Krediten gewusst hätte!
    Selbst Cays gelegentliche aggressive Ausbrüche mochten Symptome seiner bipolaren Störung gewesen sein. Und sogar seine Gewichtsschwankungen: alles typische Anzeichen!
    Angeblich wird die Krankheit auch von Medizinern oftmals erst Jahre nach dem Ausbruch erkannt. Bei allen Patienten besteht ein erhöhtes Selbstmordrisiko. Warum hat er nie etwas gesagt? Unter medizinischer Kontrolle können die schlimmsten Auswirkungen mittlerweile unter Kontrolle gehalten werden. Vielleicht hatte Cay sogar Medikamente genommen. Ich hatte von nichts gewusst.
    Es gab auch Zeiten, in denen ich mich nicht noch intensiver mit diesem Thema beschäftigen wollte, weil ich einfach nur froh war, das Schlimmste überstanden zu haben. Mein Blick war immer häufiger auf die Gegenwart und die Zukunft gerichtet. Ich würde wieder Mutter werden! Dieser Gedanke erfüllte mich mit größter Freude. Ich hatte einen wunderbaren Mann an meiner Seite, eine tolle Familie in der Nähe und Freunde, denen ich vertraute. Manchmal drängte ich die Erinnerungen an das Vergangene beiseite.
    Trotz aller Belastungen durch das Thema Depression und meine eigene Vergangenheit – oder gerade deswegen – beobachtete ich das Verhalten meiner Mitmenschen und machte mir Gedanken über ihre Empfindungen und Stimmungen. Ging es ihnen gut? Quälte sie etwas? Hatten sie womöglich mit Schwermut zu kämpfen? Welche Hilfe war nötig? Wer hatte möglicherweise ein Problem zu bewältigen und wollte darüber sprechen?
    Neulich im Supermarkt saß die sonst immer so fröhliche Kassiererin in sich zusammengesunken auf ihrem Stuhl. Sie wirkte abgespannt und vielleicht sogar traurig. Ich gab mir einen Ruck und sprach sie darauf an.
    »Mein Kreislauf ist im Keller«, antwortete sie mir. Am liebsten würde sie nach Hause gehen, aber sie traue sich nicht. Ich schlug Kaffee oder Cola vor, um sie ein wenig in Schwung zu bringen.
    »Sie sollten Ihrem Chef Bescheid sagen, wenn Sie nicht mehr können.«
    »Vielen Dank.«
    Am Abend fand ich ein Gedicht von Ursela Seitz, das mir aus der Seele sprach.
    Mancher hört sich selbst gerne reden,
egal, was immer er uns auch erzählt;
denkt sich, sein Thema ist für jeden,
schließlich hat er es ja ausgewählt.

Zuhören können ist nicht immer leicht,
egal, welche Person zu einem spricht.
Denn was manchmal das Ohr erreicht,
interessiert in Wirklichkeit uns nicht.

Für den Redner ist es von Wichtigkeit,
dass man zuhört, versucht zu verstehen.
Kostet es uns auch ein wenig Zeit,
Aufmerksamkeit, statt weiterzugehen.
    Manchmal machte ich mir auch Sorgen um Basti, der bis vor Kurzem mit Robert zusammengewohnt hatte. Die beiden Freunde waren über viele Jahre unzertrennlich gewesen und hatten sich in den letzten Jahren, bevor Robert und ich wieder zusammenkamen, sogar eine Wohnung geteilt. Sie hatten gemeinsame Hobbys, ihren Sport und ihren gemeinsamen Freundeskreis. Manchmal wirkte Basti weniger gelöst als früher. Vielleicht fehlte ihm der Freund, der nun seine eigene Familie gründete. Über alles und jeden machte ich mir Sorgen. Robert empfand es sogar als ein Hineinsteigern in die möglichen Probleme anderer . Vielleicht hatte er recht, und ich steigerte mich hinein in etwas, das nicht einmal Probleme waren. Cay gegenüber war ich blind gewesen, und ich trug schwer daran, auch wenn er alles getan hatte, um seine Erkrankung vor mir zu verbergen. Wie anders wäre unser gemeinsames Leben verlaufen, wenn er mich eingeweiht hätte in seine Probleme. Doch es half nichts, darüber zu spekulieren. Ich wollte nur, dass so etwas nie wieder geschah. Niemand, den ich kannte, sollte so leiden müssen.

Eheglück
    Als Robert eines Abends nach Hause kam, war er seltsam nervös. Er stand in seiner Bürokleidung in der Küche und ging nicht sofort an den Kleiderschrank, um sich umzuziehen, wie sonst immer. Er liebte es, im Hause legere Sachen zu tragen, und konnte normalerweise nicht schnell genug aus seinem Anzug kommen.
    »Warum stehst du noch herum? Zieh dich doch um, mach’s dir gemütlich.«
    »Nein, nein, ich möchte heute gern so angezogen bleiben.«
    »Was soll das denn? Nun schlüpf doch in deine Schlabberhose. Ist ja viel gemütlicher«, sagte ich und schob ihn halb aus der Küche hinaus.
    »Also, ich wollte dich eigentlich etwas fragen.«
    »Das kannst du auch in Schlabberhose.«
    »Ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich dich
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