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Am Ende zählt nur das Leben

Am Ende zählt nur das Leben

Titel: Am Ende zählt nur das Leben
Autoren: Katja B.
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ich konnte mir kaum noch vorstellen, wie ich ohne diese helfenden Gespräche hätte (über-)leben können. Frau Precht gab mir Halt und Energie.

Liebe und Begreifen
    Anfang des Jahres fand Robert einen neuen Job. Er bekam einen festen Arbeitsvertrag und hatte ein gesichertes Einkommen. Nun war er mitten im Berufsleben angekommen. Immer häufiger sprachen wir über unsere Zukunft und stellten uns vor, was aus unserer Liebe werden könnte.
    Am 14. Februar war ich, wie an jedem normalen Arbeitstag, in der Praxis und schaute kurz vor Feierabend in mein Postfach, um die eingegangenen Mails zu lesen. Im ersten Moment erschrak ich, als ich Roberts Absender sah, denn wir schickten uns nur selten E -Mails. Schließlich sahen wir uns doch jeden Tag. Aber dann entdeckte ich seine Grüße zum Valentinstag und las seine Zeilen:
    Ich muss dir etwas ganz Wichtiges sagen: Es wäre so schön, wenn wir beide eine Familie gründeten.
    Mein Herz pochte, und Wärme schoss mir in die Wangen. Dieser Mann schaffte es immer wieder, mich zu überraschen und zu beglücken. An diesem Tag konnte ich es kaum erwarten, nach Hause zu fahren und dort auf ihn zu warten. Ich deckte den Tisch, bereitete das Abendbrot vor und schaute ständig auf die Uhr. Um spätestens 20 Uhr kam er von der Arbeit, wenn er nicht gerade seinen Zug verpasst hatte. Als ich ihn an der Tür hörte, ordnete ich mein Haar und begrüßte ihn mit einem Lächeln.
    »Robert, was hast du mir denn da geschrieben?«
    »Ich hätte so gern Kinder mit dir.«
    »Nichts lieber als das.«
    Als ich schwanger wurde, konnten wir unser Glück kaum fassen. Der berechnete Geburtstermin war Ende Dezember. Vielleicht würde es ein Christkind werden. Ich wartete eine Weile, bis ich es meiner Familie sagte. Alle freuten sich mit uns.
    Und als ich es Frau Precht erzählte, beglückwünschte meine Therapeutin mich zu dieser Neuigkeit. Inzwischen waren wir fast ein Dreivierteljahr im Gespräch miteinander und trafen uns dabei mindestens alle vierzehn Tage zu einer zweistündigen Therapiesitzung. Nicht nur Robert, sondern meine gesamte Familie spürte die Fortschritte, die ich in dieser Zeit gemacht hatte. Allmählich wurde ich wieder zu der Katja, die sie kannten, jedoch mit einigen neuen Facetten.
    Wir hatten uns nach der Phase der Stabilisierung in letzter Zeit nun auf das gezielte Zurückschauen zu den schmerzlichen Erinnerungen konzentriert. In der Vergangenheitsbearbeitung konnte ich mithilfe von Frau Precht die beiden belastenden Themen Tod meiner Tochter und Begegnung mit der Familie von Cay aus therapeutischer Sicht weitgehend abschließen. Nun begannen wir, uns der Gegenwart und den Zukunftsprojektionen zu nähern. Im Stillen nannte ich diese Phase das normale Weiterleben.
    Meine Fragen nach den verschiedenen Formen von Depressionen nahmen ebenfalls einen gewissen Raum ein, weil ich nach wie vor nach Erklärungen für Cays Verhalten suchte. Ich wollte endlich begreifen, wie es zu seiner Tat hatte kommen können, denn nach wie vor quälten mich die Schuldgefühle. Seine Tat war so unfassbar gewesen. Hätte ich das Schlimmste verhindern können, wenn er doch nicht in der Lage dazu gewesen war und ich es rechtzeitig erkannt hätte? Hatte mein Verhalten die Katastrophe ausgelöst? War mein Trennungswunsch das i-Tüpfelchen gewesen? Knickte mein Verhalten ein Stuhlbein ab und brachte die Konstruktion zum Einsturz?
    Von Frau Precht erhoffte ich mir Antworten auf meine unzähligen Fragen. Mir wollte partout nicht einleuchten, wie ein Mann wie Cay, der gern im Mittelpunkt stand und meist so lebenslustig wirkte, gleichzeitig depressiv sein konnte. Dabei kam es mir so vor, als suchte ich nach Erklärungen für etwas Unerklärliches. Manchmal dachte ich an Petras Worte: Cay war in Behandlung.
    Warum hatte er mir nichts davon gesagt? Und warum war ich offenbar nicht die Einzige, die nichts gemerkt hatte? Erst vor dem Hintergrund einer sogenannten Manischen Depression machten viele seiner Verhaltensweisen einen Sinn. Demnach waren seine Stimmungsschwankungen passende Symptome für diese Form der Erkrankung. Inzwischen sprach man bei einem derartigen Krankheitsbild von einer bipolaren Störung, die sich bei den Betroffenen durch extreme Unterschiede im Antrieb zeigte. Dieser reichte von Hyperaktivität und Überschwang zu Müdigkeit und Schwermut. Bei Cay wechselten diese Phasen oft unwillkürlich, was eine eher seltene Form der bipolaren Störung kennzeichnete. Wenn ich doch nur etwas geahnt
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