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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)
Autoren: Fabian Hischmann
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du, ich bin zu blöd?«
    »Wie kommst du denn darauf? Ich fand sie einfach schön. Außerdem kann man nie weise genug sein.«
    »Du denkst also nicht, dass ich nicht schlau genug bin.«
    »Nee, Quatsch. Du bist klug.«
    »Aber nicht klug genug?«
    »Lass gut sein, Maria.«
    »Aber Max –«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Was?«
    »Vielen Dank.«
    Wir umarmten uns lange. So lange wie nie.
    Ich lehne das Rad an den Zaun.
    »Bist du auch zu Besuch?«, frage ich.
    »Ich bin wieder ganz hier.«
    »Echt? Wie lange schon?«
    »Seit April. Ich wohne mit Freunden auf einem Hof weiter oben.«
    Ihre Hand weist in den Himmel, und ich denke, dass ein Luftschloss gut zu ihr passt. Ich ziehe die Nase hoch, obwohl sie nicht läuft, und fingere am Kinn herum, obwohl da nichts wächst.
    »Und du, Max? Was machst du in Königsburg?«
    »Claudia und Hans sind auf Kreta, und ich hüte Lio.«
    Schräg gegenüber rollt Frau Bender, die dickste Frau des Orts, ihre Mülltonne an die Straße. Maria und ich sehen ihr kurz zu, uns wieder an, und ich sage: »Ich denke oft an den Wal.« Sie lächelt.
    Wir liefen durch den Slottsskogen, unsere Turnschuhe färbten sich schwarz auf den matschigen Wegen. Auch die Kälte trieb uns bald ins Naturkundemuseum, wo wir nach hunderten Vögeln und Reptilien schließlich in die »Walhalle« gelangten. Dort steht dieses riesige Tier, eingerahmt von schwebenden kleineren Walen, die durch transparente Schnüre in der Luft gehalten werden. Ich ging auf die Empore, suchte das linke Auge des Wals, das mir im Verhältnis zum restlichen Körper so wahnsinnig klein vorkam. Ein Vater hob seinen Jungen an das pechschwarze Auge heran und der steckte seinen Finger hinein. Der Fotoapparat der Mutter blitzte mehrmals hintereinander. Maria kam zu mir, hakte sich unter. »Wahnsinn, oder?«, sagte sie, flüsternd, denn schließlich befanden wir uns auf einem Friedhof. »Früher konnte man sogar in sein Maul steigen, weißt du. Heute ist das nur noch an Wahltagen erlaubt, vor oder nach dem Stimmzettel.«
    »Warum nur noch an diesen Tagen?«
    »Irgendwann hat man ein Paar beim Sex im Wal erwischt und das fanden viele doch ein bisschen arg.«
    »Das ist ja furchtbar«, erwiderte ich und wandte mich ein letztes Mal dem Tier zu.
    Dann gingen wir zurück ins Wohnheim.
    Marias Auto hat vorne links eine ziemliche Schramme.
    »Hattest du einen Unfall?«
    »Ein Reh, letzte Woche. Es war gleich tot.«
    »Scheiße.«
    »Zum Glück war mein Vater schnell da.«
    Ihr Vater ist Förster. Früher nahm er uns oft mit in den Wald, zeigte uns Bachen mit ihren Frischlingen, erläuterte den Unterschied zwischen Fuchs- und Dachsbau, trichterte uns die Namen aller Bäume ein. »Sollte man kennen«, sagte er immer.
    »Immerhin weißt du es jetzt«, sage ich.
    »Was weiß ich jetzt?«
    »Dass du nicht einfach weiterfährst.«
    Wir fuhren im Mietwagen an der schwedischen Küste entlang.
    Wenn wir ausstiegen, um am Meer herumzustehen, dem Impuls folgend, den alle verspüren, die nicht mit der See vor der Haustür groß geworden sind, blies die böige Luft uns die Backen rot und die Lippen trocken. Maria legte sich in den Wind, und ich versuchte ihm den Rücken zuzudrehen, vergeblich, da auch er sich stetig drehte.
    In einem der menschenleeren Feriendörfer, auf einer der menschenleeren Inseln, überfuhr Maria beinahe ein Mädchen, als es die Straßenseite wechselte. Wir ruckten nach vorne in unseren Sitzen und Maria starrte das Mädchen an und das Mädchen starrte Maria an und ich rauchte eine Zigarette, obwohl die auf dem Armaturenbrett rot umkringelt und dick durchgestrichen war. Das Mädchen lief davon, niemand folgte ihm und niemand wartete auf der anderen Seite. Maria stellte den Motor ab, nahm mir die Kippe aus den Fingern. Zittrig saugte sie am Filter, sagte leise: »Wäre ich allein gewesen und hätte sie übersehen, vielleicht wäre ich einfach davongefahren und nie mehr glücklich geworden. Keiner kann sagen, was er in so einer Situation tun würde. Das macht mir große Angst.«
    Ich wollte ihr klarmachen, wie gut ich das nachvollziehen konnte, dass ich seit meinem Au-pair-Fiasko genau wusste, wovon sie sprach. Stattdessen schwieg ich weiter, hatten wir eine Stunde später sperrigen Sex auf dem Rücksitz. Ich war so zärtlich, wie ich konnte, im Radio lief Classic Rock. Danach wischte ich die beschlagenen Scheiben frei und entschied: »Ich fahre den Rest.«
    Wir stehen stumm. Meine Beine jucken, kribbeln gegen die peinliche Stille an. Endlich startet
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