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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)
Autoren: Fabian Hischmann
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ich um 3 Uhr früh hochschrecke, muss ich mir Spucke vom Mund wischen, eine ganze Menge ist ins Kissen gelaufen. Ich fahre die feuchte Stelle mit den Fingern nach, rieche daran und erinnere mich dabei an Jan Kranig, der mir beim Räuber und Gendarm einmal volle Hacke ins Gesicht gespuckt hat, genau zwischen Oberlippe und Nase.
    Im Fernsehen läuft die Wiederholung einer Talkshow. Eine schluchzende Frau ist an einen Lügendetektor angeschlossen.
    Wenige Minuten später bin ich in den Bademantel meines Vaters geschlüpft und stehe mit einer Taschenlampe in unserer Garage. Es gibt auch ein Oberlicht hier drin, aber das würde mir jetzt die Stimmung, den Entdeckerdrang, verderben. An der Decke hängt Papas ausrangiertes Surfbrett, ein Relikt aus seiner Jugendzeit, von dem ich schon immer fand, dass es nicht zu ihm passt. Ich leuchte am Boden entlang in den hinteren Teil des Raums, bis der Strahl mein BMX erfasst, und bin froh, dass es immer noch hier herumsteht. Claudia und Hans konservieren eher, statt zu konsumieren.
    Zum Zwitschern früher Vögel schlafe ich im Doppelbett meiner Eltern erneut ein.

3
    Ich wache auf. Die Uhr sagt Mittag. Im Zimmer ist es heiß und ich spüre ein leichtes Ziehen im Hals. Ich drücke auf den Schalter, und die Rollläden fahren nach oben. Der Himmel ist noch eine Nuance blauer als gestern.
    Vor der Schlafzimmertür höre ich den Hund auf und ab tapsen. Es ist höchste Zeit für ihn.
    Wir laufen zwischen Mais und Wald, unser Schritt ist zügig. Ein Specht hämmert, und in einiger Entfernung sind die Sägen von Waldarbeitern zu hören. Nach einer Viertelstunde erreichen wir die Bank, zwei dicke Fliegen hocken übereinander auf der abgenutzten Sitzfläche, flüchten, als mein Schatten das Holz trifft. Lio macht Platz und lässt zufrieden die Zunge baumeln. Ich überprüfe die Lehne:
    M . M . J . K . H.
    Unsere Initialen sind geblieben.
    Wie alle richtigen Kinder hatten wir früher eine Bande. Wir, das waren Maria, ich und Jan, Konrad, der später mit seiner Mutter nach München zog, weil die es nicht aushielt, dass der Vater eine andere geschwängert hatte, und Heike, die mit vierzehn starb, ein Schlaganfall im Schlaf, ein später, plötzlicher Kindstod, hieß es, aber ich zweifelte immer daran, denn Kinder haben keinen Busen.
    Täglich streunten wir durchs Dorf auf der Suche nach Hauptquartieren, untersuchten totgefahrene Eichhörnchen und Katzen mit angespitzten Stöcken, warfen Quitten von unserem Strauch auf vorbeifahrende Nachbarautos, stopften einmal mehrere davon in den Auspuff von Herrn Brückners BMW, der daraufhin nicht mehr anspringen wollte und auseinandergebaut werden musste. Seltsamerweise sagte er nie etwas deswegen.
    In den Sommern leuchteten die Hügel dort, wo Getreide wuchs, im Abendlicht orange, die Wiesen waren grüner als irgendwo sonst. Im Winter bauten wir Sprungschanzen für Schlitten, Reifen, Tüten, und jedes Jahr brach sich einer was.
    Wir waren die Kinder mit den strammen Waden, bezwangen auf dem Weg zur Schule die steilen Hänge mit den Rädern. Irgendwann begann ich Maria anders dabei anzusehen, spürte ein Kribbeln beim Anblick ihres festen Hinterns, während wir in den Pedalen stehend unserem letzten Kindersommer entgegenfuhren.
    Eine Bremse beißt mich wieder ins Jetzt. Lio buddelt ein Stück weiter nach einem Tier. Ich pfeife und renne los und er rennt mit, und wir sind sofort außer Atem und werden trotzdem nicht langsamer.
    Bevor ich duschen gehe, will ich das BMX putzen und den Sattel höher einstellen. Durch die Zähne pfeifend, schiebe ich das Rad aus der Garage. Ein Auto biegt in die Straße ein und hält schließlich vor mir. Auf den Lenker gestützt, erkenne ich die Person hinter der schmutzigen Windschutzscheibe und muss hektisch zwinkern vor Überforderung. Sie steigt aus, das Unterhemd, weiß und zu weit, unterstreicht die Bräune ihrer Arme, und ihre Haare fallen immer noch in dieser einen Strähne über die Augen.
    »Hallo«, sage ich und verlagere noch mehr Gewicht auf den Lenker, der fast platte Reifen bläht sich an den Seiten.
    »Hallo Max. Ich bring den Honig für deine Eltern.«
    Die kleine silberne Eule um ihren Hals glitzert.
    Ich habe sie ihr in Schweden gekauft.
    In einem Café am Stadtrand von Göteborg aßen wir Schokoladenkuchen. Die Wirtin verkaufte neben Gebäck auch selbstgemachten Schmuck. Als Maria auf dem Klo war, kaufte ich den Anhänger. Auf dem Rückweg zum Auto legte ich ihr die Kette um.
    »Eulen sind weise.«
    »Denkst
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