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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Sobald der Wind gedreht hat, kehren die Händler ein halbes Jahr später mit dem Ostmonsun wieder nach Celebes zurück; glücklich, wenn sie die abenteuerliche Reise ohne Piratenüberfälle, Unwetter und Untiefen oder andere lebensbedrohliche Gefahren überstanden haben.
    Wallace’ Überfahrt nach Aru verläuft unerwartet angenehm; es ist vielleicht die ruhigste, die er je auf seiner jahrelangen Expedition durch das Inselreich zwischen Asien und Australien erleben wird. Die Prau, in der sie mit 30 Mann Besatzung segeln, ist ein hölzernes Lastschiff mit zwei Masten, ähnlich einer chinesischen Dschunke von knapp 70 Tonnen Last; mit einem großen und einem kleineren Matten-Segel, die der jetzt aus Westen wehende Wind beständig füllt und sie mit bis zu fünf Knoten laufen lässt. In nur zwei Wochen fahren sie so bei meist ruhiger See und schönem Wetter stetig gen Osten; vorbei an Buru, Ambon und den Banda-Inseln, die in strahlenden Sonnenschein getaucht wie grüne Juwelen in der See liegen. Als sie die Banda-Gruppe passieren, sieht Wallace zum ersten Mal mit eigenen Augen einen tätigen Vulkan. Dessen Rauch steht wie eine kleine Wolke über dem vollkommenen Kegel. Unterwegs bewundert er fliegende Fische, die dicht wie Schwalben über die Wasseroberfläche schwirren. Er probiert erstmals gebratenen Hai und findet ihn durchaus schmackhaft. Den Weihnachtstag feiern sie an Bord der Prau bescheiden mit einem Extraglas Wein zum üblichen Reis und Curry. Als sich das Jahr 1856 dem Ende zuneigt, kommen bei Tagesanbruch die Kai-Inseln in Sichtweite. Alfred Russel Wallace ist in einer anderen, nie zuvor gesehenen Welt angekommen.
    Kai-Inseln, Januar 1857: Das Meer um sie ist ruhig, spiegelglatt, wie man es sonst von einem See kennt; die tropische Sonne taucht alles in goldenes Licht. Außerordentlich reizvoll ist die Szenerie, notiert Wallace in seinem Tagebuch, als sie die den Kai-Inseln vorgelagerten Atolle und winzigen Korallen-Eilande passieren. Das Wasser, das ihre Prau durchpflügt, ist kristallklar. Je nach Tiefe und Untergrund gehen die Schattierungen von tiefblau, beinahe schwarz, und kobaltblau bis zu jadegrün über; nahe dem flachen Riff der Inseln wird das Wasser helltürkis und bricht sich weiß schäumend. Als sie der malerischen Küste näher kommen, zeichnen sich die steilen Kalksteinklippen ab, die die Inseln säumen und an vielen Stellen den üppig wuchernden Regenwald überragen, wo er bis ans Meer reicht. Immer wieder wird die dichte Vegetation, mit stattlichen Kokospalmen durchsetzt, von kleinen Buchten unterbrochen, die innen mit blendend weißen Sandstränden ausgekleidet sind.
    Wallace malt sich die wundersamen Tierformen in den Wäldern und in der Meeresunterwasserwelt aus. Doch bald schon fesselt etwas anderes seine Aufmerksamkeit, als die Prau von drei, vier Kanus der Einheimischen umringt wird. »Diese Kai-Leute kamen singend und schreiend heran, tauchten ihre Ruder tief ins Wasser und warfen Wolken von Schaum auf; als sie sich näherten, standen sie in ihren Kanus auf und ihr Geschrei und ihre Gestikulationen vermehrten sich noch; und als sie an unsere Seite gekommen waren, kletterte der größte Teil von ihnen, ohne erst um Erlaubnis zu fragen, und ohne auch nur einen Moment zu zögern, auf unser Deck, gerade als wenn sie von einem gefangenen Schiffe Besitz ergreifen wollten. Es begann dann eine Szene unbeschreiblicher Verwirrung. Diese vierzig schwarzen, nackten, krausköpfigen Wilden schienen vor Freude und Erregung berauscht. Nicht einer konnte auch nur einen Moment still sein.« Es sind Papuas, denen Wallace hier zum ersten Mal in ihrer eigentlichen Heimat begegnet. Weniger als fünf Minuten, während der er das muntere Treiben dieser Inselbewohner beobachtet, lassen ihn zu der festen Überzeugung kommen, hier zwei der unterschiedlichsten Menschenformen nebeneinander zu sehen. »Wenn ich blind gewesen wäre, so hätte ich sicher sein können, dass diese Inselbewohner keine Malaien sind«, notiert er. »Die lauten, schnellen, scharfen Töne, die fortwährenden Bewegungen, die intensive Lebenstätigkeit, welche sich in Sprache und Handlungen ausprägt, sind die geraden Gegensätze des ruhigen, wenig impulsiven und phlegmatischen Malaien. … Schulknaben an einem unerwarteten Feiertage, Irländer auf einem Jahrmarkt oder Seekadetten an Land geben nur eine schwache Vorstellung von der übermäßigen, tierischen Freude dieser Menschen.«
    Tatsächlich ist ein größerer Kontrast zwischen zwei
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