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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Verschwörung unterstellt und vermutet, dass die Urheberschaft an wenigstens einem Teil der vielleicht wichtigsten naturwissenschaftlichen Theorie dem Falschen zugesprochen worden sein könnte. Ihre britischen Kollegen wollen davon meist nichts wissen und sind den immer wieder einmal geäußerten Plagiatsvorwürfen kaum ernsthaft nachgegangen. Darwin vom Sockel zu heben, erscheint angesichts der Faktenlage zu Recht als ein allzu gewagtes Unterfangen.
    Man nimmt allgemein an, dass Wallace’ Manuskript und Brief an Darwin wohl verloren gegangen sind; mit gutem Grund, hatte doch Wallace selbst dies noch zu Lebzeiten so vermerkt. Im Korrespondenz-Projekt am Naturhistorischen Museum in London hat George Beccaloni ein Dokument online gestellt, das diesen Umstand erhellt, wenngleich nicht aufklärt. In einem beigen Briefumschlag, der sich später im Nachlass von Alfred Russel Wallace fand, hat dieser die ersten acht Briefe gesammelt, die er einst von Charles Darwin erhalten hatte, während er noch im Malayischen Archipel unterwegs war, wie er in eigener Handschrift auf dem Umschlag vermerkte. Darunter notierte er: »Das Manuskript meines an Darwin gesandten Artikels, gedruckt im Journal der Linnéschen Gesellschaft, wurde nicht an mich zurückgegeben und ist verschollen. Die Druckfahnen mit dem Manuskript könnten vielleicht an Sir Charles Lyell oder den Sekretär der Gesellschaft geschickt worden sein und könnten durchaus eines Tages gefunden werden. Es war auf dünnem Auslandsbriefpapier geschrieben.« Gezeichnet Alfred Russel Wallace.
    Doch fanden sich dann später nicht sämtliche der erwähnten acht Briefe Darwins in besagtem Umschlag. Ausgerechnet jener Brief, mit dem Darwin einst Wallace auf dessen Manuskript-Sendung von 1858 geantwortet hat, war irgendwann dem Umschlag entnommen worden. In der Reihenfolge der Darwin’schen Briefe an Wallace ist er der dritte und ohne Zweifel historisch der wichtigste. Ein Brief, der sicher dabei helfen könnte, gleichsam eine Art Kriminalfall in der Biologiegeschichte aufzuklären – endlich, nach Jahrzehnten des Rätselratens, der Plagiatsvermutungen und Verschwörungstheorien. Was Darwin damals wohl geschrieben hat? Was und wie hat er sich Wallace gegenüber wirklich erklärt?
    George Beccaloni findet es nicht nur höchst bemerkenswert, dass ausgerechnet einige der entscheidenden Dokumente der Biologie-Geschichte offiziell verschollen sind. Er vermutet vielmehr, dass jemand jenen dritten Brief Darwins aus dem Umschlag entfernt haben könnte – und sich dann die Mühe gemacht hat, einen anderen – freilich unbedeutenden – Brief in den Umschlag zu legen, damit es wieder acht Briefe sind, wie zuvor von Wallace darauf vermerkt worden war.
    Doch wer könnte das gewesen sein, und warum wurde der Brief entfernt? Auf welchem Weg und durch wessen Hände sind die Darwin-Briefe aus dem Wallace-Nachlass nach dessen Tod im November 1913 in die Londoner Archive gelangt? »Was immer tatsächlich geschehen ist, mir fällt es schwer zu glauben, dass Wallace just diesen Brief anders als alle anderen Briefe Darwins nicht aufgehoben hat«, meint Beccaloni.
    Deshalb hoffen auch andere Historiker, eines Tages die verschollenen Dokumente der Wallace-Darwin-Korrespondenz zu finden. Diese würden nicht nur den – indes ohnehin riesigen – Nachlass zweier berühmter Naturforscher um wichtige Schriften bereichern; sie würden zweifellos endlich neues Licht werfen auf eines der zentralen Ereignisse beim vermeintlichen Wettlauf um die Entdeckung der Evolution. Immerhin reden wir hier über eine Zäsur in der europäischen Geistesgeschichte: Denn mit Wallace und Darwin änderte sich das Denken über die Natur.

    Tatsächlich aber bleibt es bis auf den heutigen Tag nur ein aufregender Gedanke – nicht mehr als eine höchst unwahrscheinliche Möglichkeit, dass Wallace’ Manuskript und Darwins Brief irgendwo aufbewahrt werden; vielleicht wirklich in einer alten Holztruhe auf einem maroden Dachboden, ohne dass diese Papiere jemand entdeckt oder entdecken sollte.

Zur Einführung –
Der junge Mann in Eile
    Alfred Russel Wallace, britischer Naturaliensammler par excellence und verwegener Naturforscher, war ein Mann, für den sich leicht Superlative finden lassen. Zweifelsohne war er einer der brillantesten, bemerkenswertesten und bedeutendsten, ja einstmals auch einer der berühmtesten Wissenschaftler seiner Zeit. Überdies war er eine schillernde und kontroverse Persönlichkeit, nicht zuletzt dadurch
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