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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Arten entstehen allmählich, sie gehen unmittelbar aus vorangegangenen hervor«, so fasst Wallace den zentralen, aber ketzerischen Gedanken zusammen, der bald alles verändern wird. Wenn es einen Ort gibt, an dem je das Fundament einer wissenschaftlichen Theorie bereitet wurde, dann auf diesen fernen und fremden Eilanden am Rande der bekannten Welt.
    Die Expedition zu den Kai- und Aru-Inseln, vor der Südwestküste Neuguineas gelegen, wird zum Wendepunkt nicht nur der großen Reise von Alfred Russel Wallace, sondern auch seiner theoretischen Überlegungen. Für ihn wird Aru zum wahren Galapagos, mehr noch als es jener Archipel im Pazifik je für Charles Darwin sein konnte. Dem war erst rückblickend aufgegangen, als wie bedeutend sich die Zoologie solcher Inselgruppen für die Naturforschung erweisen sollte. Wallace dagegen erkennt sofort, was es mit Aru auf sich hat. Hier sammelt er wichtige Belege, die letzten fehlenden Mosaiksteine zu einer bahnbrechenden Idee – jener Idee, mit der er den entscheidenden Schritt im Wettlauf um die Entdeckung der Evolutionstheorie macht und die im Sommer 1858 eine Kette von Ereignissen auslösen wird. Er veröffentlicht zur Naturkunde von Aru einen seiner wichtigsten Aufsätze; detailreich in den Fakten, zugleich voller synthetischer Kraft, einsichtsvoll und visionär ein ganzes Forschungsprogramm beschreibend, das ihn das lange gesuchte Evolutionsprinzip finden lässt. Doch mit diesem so wichtigen Aufsatz ergeht es ihm wie mit anderen seiner Arbeiten. Zwar erscheint er, noch im Dezember 1857, in den renommierten »Annals and Magazine of Natural History« in London; indes wird er weder von Wallace’ Zeitgenossen noch von späteren Forschern bis heute in seiner wahren Bedeutung erkannt. Ihnen entgeht, dass es von Aru tatsächlich nur noch ein kleiner Schritt ist, bis Wallace kurz darauf während eines Fieberanfalls auf den Gewürzinseln den Schlüssel zu jenem Rätsel – dem Geheimnis der Geheimnisse – findet, das ihn seit Langem umtreibt; ein Rätsel, das ihn hierher ans Ende des Archipels gebracht hat: die Frage nach der Entstehung von Arten.
    Beinahe drei Jahre ist er zu diesem Zeitpunkt schon in der indo-australischen Inselwelt unterwegs. Nachdem er in Singapur angekommen war, hat er zuerst einen Abstecher nach Malaka auf der malayischen Halbinsel unternommen. Anschließend war er mehr als ein Jahr lang in Sarawak im Norden Borneos unterwegs, bevor er endlich über Bali und Lombok eine Überfahrt weiter nach Osten fand, auf die Insel Celebes. Doch Anfang Dezember 1856 holt ihn dort der Monsunregen ein. Auf der großen Insel gießt es unaufhörlich. Unter den heftigen Regenfällen verwandelt sich der trockene Boden in einen Sumpf. Die Reisfelder, die sich kilometerweit in der flachen Küstenregion um den Hafenort Makassar ausbreiten, versinken im Wasser. Der ganze Landstrich ist nur mit Booten passierbar oder über ein wahres Labyrinth schmaler Wege, die auf den zu Wällen aufgeschütteten Uferbänken entlang der Reisfelder verlaufen. Bei diesem Wetter würde das Sammeln für Monate unmöglich sein, sagt man ihm. Nur Enten und Wasserbüffel fühlen sich jetzt wohl, und die Frösche stimmen vom Abend bis zum Morgen eine unglaubliche Kakophonie an. Immerhin sind sie dank einer tief vibrierenden Note musikalischer, als Wallace es bei ihresgleichen in Malaka und Borneo gehört hat. Sogleich schließt er daraus, dass die Frösche – wie die meisten Tiere auf Celebes – einer nur dieser Insel eigentümlichen Art angehören.
    Wallace sucht nach einer Ausflucht in trockenere Regionen. Endlich findet er einen einheimischen Kaufmann und Handelskapitän, einen gewissen Herrn Warzbergen, halb Javaner, halb Holländer, mit dessen Prau er gen Osten segeln kann. Wie auch andere Handel treibende Bewohner auf Celebes bricht dieser einmal im Jahr mit dem Nordwestmonsun zu den Aru-Inseln auf. Die Inselgruppe liegt rund tausend Seemeilen östlich von Celebes, dicht unter der Küste Neuguineas, und am Ende jenes riesigen Archipels, der seine Inseln wie verschieden große Perlen zu einer Kette aufreiht. Aru ist der äußerste Punkt der per Schiff zu Wallace’ Zeiten erreichbaren Welt. Wenn dort die Trockenzeit beginnt, holen die Händler wertvolle Ware; schiffladungsweise Perlmutt und Perlen, Bälge von Paradiesvögeln und Schildpatt sowie anderes für den europäischen Markt; dazu essbare Vogelnester und getrocknete Seegurken vor allem für die in kulinarischer Hinsicht mutigeren Chinesen.
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