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Am Ende der Ewigkeit

Am Ende der Ewigkeit

Titel: Am Ende der Ewigkeit
Autoren: Jeffrey Carver
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Hyutu singsangte Recht so! Stütz! Die Rigger gehorchten. Legroeder hielt den Atem an. Und dann erblickte Legroeder, was Hyutu auf den Monitoren gesehen haben musste: das andere Schiff schimmerte in einem unwirklichen Licht und verlor seine Stofflichkeit. Als es sich der L.A. näherte und einschwenkte, streifte die Spitze des Netzes das nach Backbord ausgerichtete Bugnetz der L.A.
    Einen kurzen Augenblick lang spürte Legroeder die Anwesenheit der Rigger-Crew auf dem anderen Schiff, er hörte ihre ängstlichen und verzweifelten Schreie, fühlte, dass sie wiederum ihn wahrnahmen … und dann verflüchtigte sich das Bild, die Impris mitsamt ihrer Besatzung wurde durchsichtig und verschwand.
    Sie verschwand einfach.
    Einen Herzschlag später tauchte an derselben Stelle ein anderes Schiff aus den Nebelwolken auf: ein stacheliges, unförmiges Schiff mit einer grotesken, hämisch grinsenden Fratze am Bug und einem waffenstarrenden Rumpf. Was …?, hauchten Legroeder und seine Kameraden im Netz, und dann schrie jemand: Golen Space Piraten! Das dröhnende Schallbombardement steigerte sich zu einem furiosen Crescendo: DOOOOM! … DOOOOM-M-M! Der Flux stand lichterloh in Flammen, in Brand gesteckt vom Schiff der Marodeure. Es hatte sich hinter der Impris versteckt, das Schiff der Verdammten als Tarnung benutzt.
    Weg hier! , brüllte Legroeder, und sie versuchten, die L.A. zu wenden und zu fliehen, aber dazu war es bereits zu spät. Die Rigger der Piraten hatten ein Netzwerk aus Täuschung und Angst gesponnen, und sie schienen die Materie des Flux in einer Weise zu manipulieren, die der Crew der L.A. fremd war.
    Binnen Minuten hatten die sich windenden, verdrehten Strömungen des Flux die Schiffe miteinander verbunden, und dann zog das Schiff der Marodeure sie durch die Schichten des Flux hinauf in die Leere zwischen den Sternen. Als sie in den Normalraum eintraten, Lichtjahre entfernt von der nächsten Welt, die ihnen hätte helfen können, versperrte der smaragdgrüne und blutrote Schleier des Great Barrier Nebels sogar die Sicht auf die fernen Sterne, die das Ziel der L.A. gewesen waren.
    Das Entern war eine kurze, gewaltsame Angelegenheit. Das Linienschiff, das nur mit leichten Verteidigungswaffen gegen die Fährnisse des Golen Space ausgerüstet war, vermochte sich gegen die Übermacht der Piraten nicht zu wehren. Der Kampf dauerte ungefähr zehn Sekunden, und danach waren mindestens sechs von der Crew tot. Legroeder nahm alles nur verschwommen wahr, wie durch einen Nebel – als er das Netz verließ und auf die Brücke taumelte, fingen ihn Piraten ab und trieben ihn mit vorgehaltener Waffe durch die Korridore des Schiffs, in denen sich toxische Gase und Qualm ausbreiteten. Man stieß ihn durch die Luftschleuse und einen Verbindungstunnel entlang, der im Piratenschiff mündete – alsdann sperrten sie ihn zusammen mit rund dreißig anderen Leuten in einen Frachtraum; damit endete sein Leben als freier Mann.
    *

    Die Kommission unterbrach ihn und verwies darauf, dass man über die Zeit seiner Gefangenschaft später reden wolle. Legroeder verstummte und starrte den Rat an. »Wir möchten gern wissen«, sagte ein Mann, der zur Rechten der Vorsitzenden saß, »ob Ihnen Einzelheiten über das Schicksal anderer Personen von der Ciudad de los Angeles bekannt sind.« Dieser Mann repräsentierte die Raumfahrtbehörde, die Vollzugsinstanz, die sich mit Piraten befasste. Was hatte er hier zu suchen, wenn Legroeder nicht angeklagt war? »Wie viele gerieten Ihrer Ansicht nach in Gefangenschaft, und wie viele wurden von den Piraten getötet?«
    Legroeder starrte ihn an. »Schwer zu sagen. Ich habe nicht alles gesehen.«
    Der Mann setze eine gequälte Miene auf, als sei es ihm zuwider, solche Fragen zu stellen. »Was würden Sie denn schätzen?«
    Frustriert wandte sich Legroeder an Kalm-Lieu.
    Kalm-Lieus weiche, jungenhafte Züge wirkten angespannt, als er sich erhob. »Die Kommission möge bitte zur Kenntnis nehmen, dass mein Mandant über keine diesbezüglichen Informationen verfügt.«
    »Herr Anwalt«, beschied ihm die Vorsitzende, »wir versuchen lediglich, uns ein möglichst vollständiges Bild von der Situation zu machen. Vielleicht kann Ihr Mandant hochrechnen, wie viele Gefangene es gab und wie viele Exekutionen …«
    Kalm-Lieu sah Legroeder an und zuckte die Achseln.
    Legroeder seufzte. »Wenn ich raten sollte, würde ich sagen, dass in etwa die Hälfte bis zwei Drittel der Crew und Passagiere gefangen genommen wurden, und
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