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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot
Autoren: Harry Kemelman
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Herkommens», sagte Lanigan und fuhr langsamer, um einem radelnden Botenjungen auszuweichen. «Die Hanburys sind seit der Kolonialzeit bedeutende Leute in dieser Gegend gewesen. Josiah Hanbury war Captain der Bürgerwehr. Sein Name steht auf einer Bronzetafel im Rathaus. Er hatte ein eigenes Boot und hat als Kaperkommandant am Revolutionskrieg teilgenommen.» Lanigan lachte. «Setzen Sie statt Kaperkommandant roter Korsar, und dann stimmt es vermutlich auch. Auf jeden Fall hat es Geld eingebracht. Später waren die Hanburys im Walfang und noch später im Molasse-Rum-Sklaven-Handel. Die Hanbury-Schifffahrtsgesellschaft hat im Ersten Weltkrieg nicht schlecht verdient. Heute gibt es immer noch eine Firma Hanbury Shipping, aber sie haben keine Schiffe mehr. Es ist jetzt eine Versicherungsgesellschaft und ein Kommissionsgeschäft; die Aktien werden an der New Yorker Börse gehandelt. Sitz der Firma ist natürlich Boston; sie ist für Barnard’s Crossing zu groß geworden. Alle Hanburys hatten und haben Geld. Alle, nur nicht Arnold Hanbury, Millies Vater. Sein Zweig der Familie war nie so wohlhabend und hat wohl auch nie Glück gehabt. Aber er war ein Hanbury, das durfte keiner außer Acht lassen.
    Das Haus, Rabbi, hat ihn fast an den Rand des Bankrotts gebracht, aber natürlich musste er ein großes Haus haben, weil er ein Hanbury war. Millie aber konnte nicht mit ihren reichen Cousinen und deren Freundinnen spielen – sie hatten als Kinder Ponys und, als sie größer wurden, Segelboote, und dann eigene Autos und danach Reisen nach Europa – für Millie war das alles nicht möglich. Dennoch durfte sie nicht mit den anderen Kindern aus der Stadt spielen. Sie war eben eine Hanbury.»
    «Aber in der Schule hat sie doch sicher …»
    Lanigan schüttelte entschieden den Kopf. «Sie begreifen das mit den Hanburys immer noch nicht. Ihre Cousinen waren alle in privaten Internaten, nur sie musste in eine öffentliche Schule gehen, weil Arnold Hanbury sich nichts anderes erlauben konnte. Aber sie durfte sich mit dem gemeinen Volk nicht abgeben. Sie hatten eine alte Frau, die bei ihnen arbeitete, vermutlich für kaum mehr als Wohnung und Verpflegung – Nancy – Nancy Sowieso – es wird mir schon wieder kommen. Auf jeden Fall gehörte es zu ihren Aufgaben, am Schultor auf Millie zu warten und sie sofort nach Schulschluss nach Hause zu schleifen.»
    «Und was war mit dem College?»
    «Da war auch nichts. Sie war auf einem College in Boston und fuhr jeden Tag hin und her. Es war eine reine Mädchenschule, in der hauptsächlich Sport unterrichtet wurde. Wenn aber ein Mädchen einen Mann kennen lernen will, muss es dahin gehen, wo es Männer gibt, stimmt’s? Viele Männer. Und ich kann mir nicht denken, dass es viel hilft, wenn man Absolventin einer Turnlehrerinnenschule ist. Eher könnte das die Männer in die Flucht treiben. Stellen Sie sich vor, ein Mann macht sich an ein Mädchen ran. Das Schlimmste, womit er rechnet, ist eine Ohrfeige. Aber wenn sie eine ausgebildete Sportlerin ist, könnte es leicht mit einem Kieferbruch enden.» Lanigan lachte heiser. «Ich hätte selber eine Mordsangst. Die beiden Sportlehrerinnen an der High School sind übrigens auch nicht verheiratet.»
    «Es ist immerhin erstaunlich, dass sie es mit einem Sportlehrer-Diplom bis zum Dean gebracht hat», stellte der Rabbi fest.
    «Warum? Was macht denn so ein Dean?»
    «Na, er ist Dekan einer Fakultät», sagte der Rabbi, «und meistens wird das nur ein anerkannter Wissenschaftler.»
    «Könnte da Ihre Meinung nicht ein wenig veraltet sein, Rabbi? Ich kenne den Dean des College von Lynn. Der war vor etwa sechs Jahren Lehrer für Werkunterricht und Trainer der Footballmannschaft an der hiesigen High School. Meines Wissens wollen sie heutzutage Leute, die sich durchsetzen können und mit den Studenten fertig werden.»
    Während sie weiterfuhren, erzählte ihm der Rabbi von Dean Hanburys Angebot.
    «Und Sie wollen es annehmen?»
    «Ich glaube schon. Es ist eine interessante Abwechslung.»
    «Was sagt denn Miriam dazu?»
    «Ich hab noch nicht mal mit ihr darüber gesprochen.»
     
    Als der Rabbi über den Lehrauftrag berichtete, gab es wenig Schwierigkeiten. Natürlich wäre es keine Vorstandssitzung des Synagogendirektoriums gewesen, wenn es keine Fragen gegeben hätte.
    «Was ist, wenn es an dem Tag, wo Sie unterrichten, eine Beerdigung gibt, Rabbi?»
    «Dann benachrichtige ich meine Studenten, dass ich nicht kommen kann.»
    «Was ist mit dem minjan ,
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