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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot
Autoren: Harry Kemelman
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festgeformte Mund und das kleine, runde Kinn sprachen von Energie. «Bekommst du deswegen vielleicht Ärger mit dem Vorstand, David?»
    «Das glaube ich nicht. Auf jeden Fall werde ich damit fertig.»
    «Aber es bedeutet zusätzliche Arbeit für dich?»
    «Gar nicht so schlimm. Hin und wieder werde ich Arbeiten korrigieren müssen. Aber die Vorbereitung der Vorlesungen braucht nicht viel Zeit.»
    Sie fragte dann, ob er sich wirklich darauf freue, oder ob es ihm nur um das Geld gehe.
    «Ach, das Geld ist schon sehr nützlich. Es ermöglicht uns leicht die nächste Reise nach Israel.»
    «Und einen neuen Teppich fürs Wohnzimmer?»
    Er lachte. «Und einen neuen Teppich fürs Wohnzimmer.»
    «Auf jeden Fall ist es für dich mal was anderes. Es ist nur so …» Sie zögerte.
    «Was ist?»
    «Na, ich kenn dich doch. Ich weiß, dass es dir nicht um das Geld geht. Du möchtest gern unterrichten, nicht wahr?»
    «Und?»
    «Ach, ich hoffe nur, dass du nicht enttäuscht wirst. Die Colleges und die Studenten haben sich seit deiner Zeit sehr verändert.»
    «Ach, das glaube ich nicht», sagte er zuversichtlich. «Im Grunde sicher nicht.»
    3
    Dean Hanbury lenkte den Wagen scharf um die Kurve, dann in eine enge Durchfahrt hinter zwei Reihen von Mietshäusern, bog nochmals ab und bremste schließlich vor dem Schutzgitter einer Reihe von Kellerfenstern ab.
    «Ist das der Parkplatz der Schule?», fragte der Rabbi überrascht. Dean Hanbury hatte ihn mitgenommen, um ihm den Weg zu zeigen.
    «Das ist mein Parkplatz», sagte sie und deutete auf ein kleines Holzschild, auf dem ihr Name stand. «Zumindest ist es meiner, seit wir vor ein paar Jahren dieses Wohnhaus auch übernommen haben. Ich finde ihn sehr praktisch, weil ich bei schlechtem Wetter durch die Hintertür gehen kann und dann genau gegenüber auf der anderen Seite der Straße der Eingang zum Verwaltungsgebäude liegt.»
    Sie stiegen die Stufen des Verwaltungsgebäudes hinauf, das durch die Sandsteinplatten und roten Ziegelmauern sehr offiziell wirkte, während alle anderen Schulgebäude wie Wohnhäuser aussahen. «Dies ist das einzige echte Collegegebäude», erklärte sie. «Nachdem wir so angewachsen sind, haben wir hier draußen neu gebaut und nach und nach die angrenzenden Wohnhäuser aufgekauft.»
    «Sind das denn alles Wohnheime für die Studenten?»
    «O nein. Wir haben sie umgebaut. Das Haus da drüben kommt auch bald an die Reihe. Im obersten Stock sind die Mieter zwar schon ausgezogen, aber sie haben noch Möbel in den Wohnungen. Und dann wohnt Professor Hendryx dort. Im ersten Stock. Das hat sich ergeben, als er aus dem Süden zu uns kam und hier noch keine Wohnung gefunden hatte.»
    Sie führte ihn eine breite Treppe mit einem schweren Mahagonigeländer hinauf. «Übrigens werden Sie sich mit ihm ein Büro teilen müssen. Der arme Mann ahnt noch nichts davon, aber ich weiß einfach nicht, wo ich Sie sonst unterbringen könnte. Professor Hendryx ist kommissarischer Leiter der englischen Abteilung. Ich glaube, dass er Ihnen gefallen wird. Übrigens stammt er ursprünglich auch aus Barnard’s Crossing. Da haben Sie schon etwas Gemeinsames.»
    Sie schloss ihr Büro auf. «Meine Sekretärin hat die Woche zwischen den Trimestern frei», sagte sie. «Im Augenblick ist es hier wie in einer Leichenhalle, aber sobald der Unterricht beginnt, wimmelt es hier im Haus und in der Umgegend nur so von jungen Leuten. Sie haben Glück, wenn Sie einen Parkplatz finden. Es ist wichtig, dass Sie das einkalkulieren, denn Ihre Studenten warten nur acht Minuten nach dem offiziellen Beginn. Verlassen Sie sich drauf: Wenn Sie erst nach neun Minuten kommen, sind alle fort.»
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich verstehe es nicht. Wenn sie noch ein bestimmtes Ziel hätten; aber meistens sitzen sie nur vor dem Haus auf der Treppe. Aber sie bleiben nicht im Zimmer, selbst wenn sie Sie auf der Straße kommen sehen. Sie sind heute alle so ungeduldig. Allerdings hat sich bei uns die Lage im letzten Jahr wesentlich beruhigt. Die Änderung der Gesetze über die Wehrpflicht spielt dabei sicher eine große Rolle. Natürlich haben wir von Zeit zu Zeit noch Studentenunruhen, aber mit den Jahren 1968 und 1969 lässt sich das nicht mehr vergleichen. Trotzdem hatten wir voriges Jahr noch einen Bombenanschlag. Das haben Sie sicher in den Zeitungen gelesen.»
    «Ja, ich erinnere mich.»
    «Unsere Studenten hatten nichts damit zu tun, da bin ich ganz sicher», beeilte sie sich zu versichern. «Die Polizei nimmt
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