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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung
Autoren: Amelie Fried
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auf Friedrichs Schulter.
    »Nicht schlecht, so ein Morgenquickie!« seufzte ich.
    Friedrich kraulte mir den Rücken. »Jetzt schlafe ich schon seit sechzehn Jahren mit derselben Frau und finde sie immer noch scharf. Ist das normal?«
    Ich kicherte geschmeichelt. »Wahrscheinlich nicht.«
    Ob Friedrich mich wirklich noch nie betrogen hatte? Ich wollte es gar nicht so genau wissen. Ich lebte sehr gut mit der Illusion. Sehr viel mehr als guter Sex verband uns eigentlich nicht. Wir lebten nebeneinander her, ohne uns gegenseitig zu stören. Jeder war an den anderen gewöhnt wie an einen liebgewordenen Gegenstand, dessen Existenz man nicht mehr ständig wahrnimmt, dessen plötzliches Fehlen einem aber schmerzhaft bewußt werden würde.
    Friedrich war stellvertretender Leiter eines kleinen wissenschaftlichen Institutes und ging völlig in seinem Beruf auf. Er war ohne jeden Ehrgeiz, und so lebten wir seit Jahren vom selben mittelmäßigen Gehalt, ohne Aussicht auf großartige Verbesserungen. Er hatte es klaglos hingenommen, daß eines Tages ein aufstrebender junger Biochemiker zum Institutsleiter ernannt worden war, obwohl dieser Posten eindeutig ihm zugestanden hätte.
    In Wahrheit war er sogar ganz froh darüber gewesen, weil er sich auf diese Weise weiter seinen Forschungen widmen konnte und keine Zeit durch Repräsentation, Vorträge und Reisen verlor.
    Wir waren seit sechzehn Jahren verheiratet, und vermutlich bedeutete die Tatsache, daß wir uns so gut wie nie stritten, daß wir eine gute Ehe führten. Wahrscheinlich eine bessere als viele andere Paare, denn wir hatten, wie gesagt, wenigstens noch Sex.
    »Weißt du, woran ich gerade denken muß?«
    Fragend sah ich Friedrich an. Ich saß noch immer auf seinen Knien, und er hatte die Arme um meine Taille geschlungen.
    »An unsere Hochzeitsnacht. Da haben wir’s auch im Sitzen gemacht, weil meine Kommilitonen unser Bett mitgenommen hatten.«
    »Und die Schlafzimmertür haben sie ausgehängt und überall gefüllte Wassereimer aufgestellt!« erinnerte ich mich an die üblen Scherze seiner Studienfreunde.
    Unsere Hochzeit! Ich wurde immer noch wütend, wenn ich daran zurückdachte. Nachdem meine Eltern eingesehen hatten, daß jeder Widerstand zwecklos war, hatte Mummy sich umgehend daran gemacht, die geplante Hochzeit in ihrem Sinne zu gestalten. Flugs wurden allerhand Verwandte eingeladen, die ich in meinem Leben noch nie gesehen hatte.
    »Das ist deine Familie!« entschied Mummy, »und die kommt zu deiner Hochzeit. Das gehört sich so!«
    Froh darüber, daß es keinen größeren Eklat gegeben hatte, fügte ich mich in alles. Sogar das Restaurant für die Feier suchte meine Mutter ohne mich aus.
    Die Trauung selbst war eine schrecklich steife, peinliche Zeremonie. Der Standesbeamte rasselte seinen Text herunter wie ein Notar, der einen Grundstückskaufvertrag vorliest, seine Assistentin gähnte ungeniert, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Ich saß neben dem Bräutigam und kämpfte gegen meine Schwangerschaftsübelkeit. Wir hatten nur noch einen Termin morgens um neun bekommen, und um diese Zeit saß ich normalerweise zu Hause vor der Kloschüssel und kotzte.
    Den Leuten, die meine Familie darstellten, merkte man deutlich an, was sie von unserer Verbindung hielten. Ich sah in verspannte Gesichter und auf nervös verschränkte Hände. Meine Großmutter, die damals noch lebte, schüttelte immer nur ihren Kopf mit dem riesigen Hut und stieß bei jeder Drehung gegen das linke Ohr meines Vaters, der neben ihr saß und gedankenverloren nach der Hutkrempe schlug, als wäre sie eine lästige Fliege.
    Nur Friedrichs Eltern waren bester Stimmung. Ihr Lachen war echt, und sie waren die einzigen, die bei dem Satz
    »Undnunsindsiemannundfrauherzlichenglückwunsch!«
    applaudierten. Ihr Klatschen versickerte im Schweigen der anderen Anwesenden, die befremdet die Köpfe drehten.
    Leider lebten meine Schwiegereltern, die ich an diesem Tag endgültig ins Herz geschlossen hatte, in Kanada, und wir sahen uns fast nie. Nur an Weihnachten kamen sie manchmal zu Besuch, aber für dieses Jahr hatten sie abgesagt.
    »Denkst du, du hältst die paar Tage mit Queen Mum aus, oder sollen wir noch schnell die Flucht organisieren?« wollte Friedrich wissen.
    »Dann ist sie bloß monatelang sauer. Ich glaube, da müssen wir durch.«
    Friedrich nickte ergeben. »Wie jedes Jahr.«
    Die Tür flog auf, und Lucy erschien auf der Bildfläche.
    Sie trug eine viel zu lange, viel zu weite Jeans, deren
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