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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung
Autoren: Amelie Fried
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vorbeiging. Auf jeden Fall entdeckte ich beim Blick durch die Scheiben Rilke mit seiner Clique.
    Ich hatte diesen Moment herbeigesehnt und gleichzeitig gefürchtet. Immer wieder hatte ich mir vorgestellt, wie es sein würde, ihm zu begegnen. Ob ich traurig sein würde, aufgeregt oder verlegen. Ob es mir danach schlecht gehen würde, oder ob ich es cool wegstecken könnte. Ihn anzurufen hatte ich mich nicht getraut. Aber daß wir uns irgendwann zufällig treffen würden, war eigentlich klar gewesen.
    Ich war stehengeblieben. Er hatte mich nicht bemerkt.
    Es war Fixi, die ihn auf mich aufmerksam machte. Er sah hoch, seine Augen hinter den kleinen, runden Brillengläsern blitzten auf.
    »Was für ein süßer Typ!«, dachte ich, wie damals, als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Ja, er gefiel mir immer noch, und ich wußte genau, warum ich mich in ihn verliebt hatte.
    Er stand auf und kam heraus.
    »Hi, Bella, alles klar?« grinste er und küßte mich auf den Mund. Jetzt war ich doch verwirrt. Durfte er das? Ach was, als hätte er sich darum jemals geschert.
    »Hast du’s eilig? Soll ich dich ein Stück begleiten?«
    Ich nickte. Wir gingen nebeneinander her.
    Er fragte, ob Lucy wieder aufgetaucht sei und wie es Jonas ginge. Irgendwann entstand eine Gesprächspause. Er schaute auf den Gehweg, dann sah er mich schräg von unten an. Er wirkte plötzlich wie ein Junge, der etwas angestellt hat.
    »Bist du sehr wütend auf mich?«
    Ich sah ihn überrascht an. Wütend? Nein, das war ich nie gewesen. Ich war verletzt gewesen, traurig und deprimiert.
    Aber niemals wütend.
    Ich schüttelte den Kopf. »Spiel nicht den Zerknirschten, Rilke, es ist alles o.k.«
    »Aber ich habe mich nicht gerade nach den Regeln des Trennungs-Knigge verhalten.«
    »Stimmt«, räumte ich ein, »aber unsere ganze Geschichte lief nicht besonders kniggegemäß ab, oder?
    Übrigens, die Sache mit Pakleppa tut mir leid. Ich hoffe, du hattest nicht zuviel Ärger.«
    »Im Gegenteil«, lachte er, »ich war für ’ne Weile die Attraktion der Szene. Immerhin hat Pakleppa meinen Namen erwähnt, das hielten die meisten Leute schon für eine Sensation.«
    Er blieb plötzlich stehen, packte mich an den Schultern und flüsterte mir ins Ohr: »Ich hatte mit dir den besten Sex meines Lebens. Das werde ich nie vergessen!«
    Das ist doch was, dachte ich und fühlte, wie ich rot wurde.
    »Wie geht’s der Chaos-Community?« sagte ich und setzte mich wieder in Bewegung.
    »Hartmann hat eine Freundin, stell dir vor«, erzählte Rilke, »und Nicki ist für ’ne Weile nach Thailand.«
    »Und … das Mädchen, ich meine Sandrine?«
    Ich nickte.
    »Wohnt jetzt bei uns. Mich hat’s echt erwischt.«

    Ich schluckte. Dann gab ich mir einen Ruck.
    »Ich freue mich für dich, ehrlich. Mit mir alter Schachtel konnte das auf Dauer nicht gutgehen.«
    »Ach, Quatsch, das hatte mit dem Alter nichts zu tun. Wir hatten eine klasse Zeit, aber du hast ’ne Familie, Kinder, ein ganz anderes Leben. Ich hatte das Gefühl, ich halte dich vom Wesentlichen ab.«
    Vielleicht hatte er ja recht. Auch wenn ich’s damals nicht so sehen konnte.
    Rilke blieb wieder stehen. Er scherte sich nicht darum, daß wir mitten auf der Leopoldstraße standen und alle Leute um uns herumgehen mußten. Sein Gesicht wurde ernst.
    »Du warst sehr wichtig für mich. Ich weiß nicht, ob du … von der Sache mit Sylvie weißt …?«
    Ich nickte. Sylvie war seine Freundin, die sich aus dem Fenster gestürzt hatte.
    »Ich hatte danach das Gefühl, eine Gefahr für andere zu sein. Ich konnte keine Frau mehr an mich ranlassen, jedenfalls keine in meinem Alter. Du warst erwachsen und stark, bei dir hatte ich nicht die Angst, ich könnte dich verletzen.«
    »Irrtum«, lächelte ich. »In der Zeit mit dir war ich nicht erwachsen und stark. Ich war dreiundzwanzig und hab vieles von dem nachgeholt, was ich in diesem Alter versäumt habe. Meine Gefühle waren die einer Dreiundzwanzigjährigen, mein Verhalten war es und meine Fehler auch.«
    »Und wie alt bist du inzwischen?« fragte er.
    »Letzte Woche bin ich achtunddreißig geworden«, lachte ich.
    Wir waren bei dem Einrichtungsladen angekommen, in dem ich nach einem Sofa für die neue Wohnung schauen wollte.
    »Also dann«, sagte ich und wollte ihm die Hand geben.
    Er nahm mich in die Arme.
    »Mach’s gut, Bella, meine Schöne.«
    Ich drückte ihn kurz an mich, diesen kantigen, kräftigen Jungenkörper, den ich so geliebt und begehrt hatte wie keinen anderen. Ich
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