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Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos
Autoren: Hans Kneifel
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Gras schleuderte, rief Befehle und kümmerte sich gleichzeitig um die kochende Suppe.
    »Das einzige, was Helmond erbeutet, werden Nachrichten sein!« murmelte Tautason. Er hatte bemerkt, daß die Anführerin mehrmals in die Richtung auf Schattenparadies gedeutet hatte.
    »Sei’s drum«, flüsterte Santauta. »Auch das ist ein Gewinn. Hören wir weiter zu.«
    Ihr Gefährte stieß ein zischendes Gelächter aus.
    »Hören? Sehen wir ihnen zu!«
    Die Fremden würden sich kaum wehren können, denn es waren nicht mehr als zehn Männer bei ihnen. Etwa ein Dutzend Frauen und Mädchen und zehn Kinder, die einem Überfall wehrlos ausgesetzt waren. Einige Frauen waren verwundet und trugen schmutzige Verbände. Alle waren vom Hunger und von Entbehrungen gezeichnet. Sie brachten aus ihren Vorräten das, was sie entbehren konnten, und schienen auf den Augenblick zu warten, an dem die brodelnde Suppe endlich fertig war. Ein Mann versuchte, die Wunden eines jungen Mädchens zu versorgen. Ein anderer hob den Speer und durchstreifte auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung deren Rand. Vielleicht wollte er versuchen, etwas Wild zu erlegen oder Pilze und Beeren zu finden. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Tautason stieß seine Gefährtin leicht an und murmelte:
    »Zurück. Wir haben gesehen, was zu sehen war.«
    »Einverstanden.«
    Schnell und gewandt, noch immer durch ihre Farbänderung geschützt, krochen sie zurück, richteten sich auf und huschten schnell davon. Sie wußten genau, was sie Helmond berichten würden, und sie konnten ihm auch den besten Platz für einen Überfall zeigen.
*
    Die Dämmerung versprach alles andere als einen strahlenden Morgen.
    Die Wolkendecke, durch die kein Lichtstrahl drang, schien noch tiefer zu hängen als sonst. Es schien, als ob alle Überlebenden von Helmonds Rotte gewillt wären, Schattenparadies zu verlassen. Sie waren mit allen ihren Waffen behängt. Caronj trug schwere Rückentaschen; selbst Ilfa schleppte Kleidungsstücke und Salz mit sich.
    Caronj nickte, als er die Handbewegung Helmonds sah. Er verstand. Er sagte zu Ilfa:
    »Klettere auf meinen Rücken, schnell!«
    »Warum?«
    »Dein Vater will’s nicht anders.«
    Ilfa gehorchte. Der Befehl des Vaters war unumstößlich. Er schwang sich hinter Caronjs Oberkörper, und der Zentaur trabte los. Sie folgten Helmond, die Haryie schwebte in engen Kreisen über ihnen. Die Waffen waren frisch geschärft; nur wenige ihrer Habseligkeiten waren auf dem Landrücken geblieben. Sie eilten schnell durch den Dschungel, entlang der Zeichen, die von den Mimesen zurückgelassen worden waren. Als sie die gepflasterte Straße erreicht hatten, sagte der Zentaur:
    »Wir beide umgehen die Fremden.«
    »Sollen wir verhindern, daß sie flüchten?«
    »Das will Helmond.«
    »Wenn er es will…«, meinte Ilfa und beugte sich nach vorn. Mit dem linken Arm hielt sich Ilfa am Oberkörper des Zentauren fest. Er trabte ein wenig schwerfällig von den anderen weg und blieb auf der gepflasterten Straße.
    Caronj hielt sich an den Befehl. Er sollte verhindern, daß Ilfa mit den Fremden zusammenkam. Warum Helmond diesen Befehl gegeben hatte, wußte er nicht. Aber er würde seinen Grund haben.
    Helmond, die beiden Geschöpfe aus pflanzlichen Urtagen, von Sgnore gefolgt, die über ihnen schwebte, erreichten die Straße an einem Punkt, der zwischen dem Lagerplatz und Schattenparadies lag. Sie hielten inne, wechselten einige Worte und stürmten mit gezogenen Waffen weiter. Aber auch in Helmonds Herzen schien sich Mißtrauen eingenistet zu haben.
    Eine Stunde später sahen sie den Rauch des Feuers. Helmond riß den Arm in die Höhe, winkte die anderen zu sich heran und stieß seine Worte leise und drängend hervor.
    »Vielleicht haben wir wirklich kein Glück und erbeuten nichts. Aber wir müssen sie erschrecken. Lähmen! Überwältigen. Verstanden?«
    Jeder von ihnen erinnerte sich an Überfälle unter schwierigsten Bedingungen und mit großem Erfolg – damals. In ihnen erwachte der alte Kampfgeist. Sie waren bereit. Jeder von ihnen nickte. Sgnore schrie über ihren Köpfen:
    »Ich werde sie das Fürchten lehren, Helmond!«
    Ihr Mut, ihre Entschlossenheit und ihre Erregung entsprangen merkwürdigen Gedanken und Überlegungen. Sie vermochten sich ohne Schwierigkeiten auszurechnen, daß das alte Leben endgültig vorbei und die Zukunft mit tödlichen Gefahren gespickt war. Sie konnten siegen oder verlieren. Verlieren bedeutete Verwundung oder Tod. Verwundungen und
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