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Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos
Autoren: Hans Kneifel
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Geräusche.
    Er galoppierte eine leichte Anhöhe hinauf.
    Der Rest der steingepflasterten Straße war längst verschwunden. Caronj befand sich auf einem sandigen, lehmigen Pfad. Aber in einem Bogenschuß entfernt vor ihm schwang sich der Weg zwischen zwei mächtigen Baumriesen aufwärts, als ob er auf eine Brücke zulaufen würde. Am höchsten Punkt stemmte Caronj seine Hufe in den Schlick des Untergrunds und blieb stehen.
    »Das«, keuchte er, »habe ich nicht vermutet!«
    Das Dickicht der Pflanzen vor ihm war fast undurchsichtig. Aber er erkannte, quer zu dem Weg, den er genommen hatte, einen breiten Pfad. Er unterschied sich nur durch die Helligkeit von der Umgebung. Er hob die Hände und hielt sie an die Ohren.
    Deutlich unterschied er das Knarren einiger Wagenräder, das Tappen von vielen Füßen und einigen Hufen, die typischen Geräusche, die erzeugt wurden, wenn sich Menschen auf einer Straße dahinschleppten. Leder knarzte, Metall schlug gegen Holz oder Metall. Einige Stimmen waren zu hören; keine von ihnen klang laut, herausfordernd oder gar gefährlich. Caronj wagte sich weiter vor, bog Zweige zur Seite und sah schließlich eine Gruppe von etwa drei Dutzend oder weniger Menschen, die sich dahinschleppten, auf ihn zu, denn dieser Weg machte rechts eine scharfe Kurve. Zwei magere Klepper zogen zwei bemitleidenswerte Wagen, auf denen hochgetürmt allerlei Besitz gestapelt war.
    »Ein Treck«, murmelte er zu sich, »der früher oder später Schattenparadies erreichen wird.«
    Gleichzeitig sagte er sich, daß es ein sinnloses Unterfangen sein würde, diese Armen zu überfallen. Sie hatten selbst nichts; was sollte man ihnen abnehmen?
    »Aber… in diesen Zeiten ist allein ein Gespräch ein Gewinn. Vielleicht können sie uns sagen, wie es hier aussieht!«
    Er nickte, schob die blutige Kampfaxt wieder in den breiten Ledergürtel zurück, schulterte seine Lanze und machte sich auf den Rückweg. Drei Stunden später sah er vor sich, über dem Abhang, den Widerschein des Feuers.
    Es war Nacht, als er beginnen konnte, seinen Bericht abzugeben.
    Sgnore schlief noch immer in ihrer Mauernische und zuckte hin und wieder mit den Schwingen.
*
    Der Anführer der Rotte saß schweigend da, biß abwechselnd in den kalten Braten und in den trockenen Fladen. Er nahm einen Schluck Quellwasser. Fünfzig Herbste zählte der mittelgroße Mann, dessen Haut aussah, als habe er sie nur der stechenden Sonne und wütenden Stürmen ausgesetzt. Jetzt, als er ruhig dasaß und den Berichten der Haryie und des Zentauren lauschte, erkannte niemand, wie unheimlich flink er war, ein einziges Bündel von Sehnen und Muskeln, schmal und nicht sonderlich stark, dafür ausdauernd.
    »Menschen«, sagte er schließlich. »Etwa drei Dutzend, wie?«
    Er warf einen besorgten Blick auf Ilfa; sein Junge war damit beschäftigt, die Federn an den Pfeilenden zu befestigen.
    »Sie sehen nicht danach aus, als ob es dort reiche Beute gäbe«, wandte der Zentaur ein. »Hast du jemals etwas von einem schneeweißen Falken und einem schwarzen Einhorn gehört?«
    Helmond schüttelte den Kopf. Sein Bart wucherte weit in den Halsausschnitt des Lederwamses hinein.
    »Ich kann auch mit den Ereignissen der letzten Monde nichts anfangen.«
    Ilfa war unter einer wilden Schar von fremden Wesen aufgewachsen. Nach dem Tod von Helmonds Frau hatte er außer seinem Vater niemals einen Menschen aus der Nähe erlebt, und das war gut und richtig so. So wollte er es, Helmond. Er knurrte:
    »Santauta! Tautason! Ihr könnt euch tarnen! Ihr geht dorthin und lockt den Treck hierher oder in die Nähe. Klar?«
    »Es wird Zeit, daß etwas geschieht!« rief der Mimese. Er hob seinen Arm, der wie der gesamte Körper aussah, als sei er aus feinem Wurzelwerk geflochten. Plötzlich wurde der Arm durchsichtig.
    »Jetzt gleich?« fragte Santauta. Sie war Tautasons Gefährtin. Beide schienen sie von seltsamen Pflanzen abzustammen. Niemand hatte je erfahren, ob es so war.
    »Ja. Sonst verirren sie sich, oder sie nehmen einen anderen Weg. Geht jetzt.«
    Caronj starrte in Helmonds Gesicht.
    »Du siehst aus, als hättest du Sorgen?«
    »Sorgen? Ich?« schrie Helmond in plötzlich ausbrechender Wut. »Keine Spur! Wir sind nur noch sechs von vielen, haben kaum etwas zu essen, keine Beute, nicht einmal ein Dach über dem Kopf! Wir wissen nicht, wo eine Siedlung ist, eine Stadt oder eine Straße. Wir haben kein Ziel! Und jetzt diese seltsamen Zwischenfälle. Nein – ich habe keine Sorgen. Ein schönes
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