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Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos
Autoren: Hans Kneifel
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Korridor zwischen den Pflanzen. Er lehnte sich immer schwerer gegen Ilfa.
    »Wir sind gleich da«, redete Ilfa ihm zu und blickte sich dabei suchend um. »Merkwürdig. Der Wolf ist nicht da. Ich höre ihn nicht einmal heulen. Und doch hat er mich zu dir geführt.«
    Sie verließen die Katakomben durch das erste Portal. Draußen herrschte das gewohnte Halbdunkel treibender Wolken. Das Feuer war erloschen, aber es gab Brennholz in Hülle und Fülle. Vorsichtig ließ Ilfa den kraftlosen Fremden zu Boden gleiten. Er rührte sich nicht.
    »Auch ich«, sagte Ilfa schwer atmend, »habe einen langen, tiefen Schlaf nötig. Aber wir brauchen noch mehr. Essen, Wasser und neue Kleidung.«
    Schweigend ging Ilfa an die Arbeit, breitete Mäntel und Decken aus und bereitete dem Fremden ein weiches Lager. Er war in einen tiefen Schlaf gefallen, der einer Ohnmacht ähnelte. Aber seine Atemzüge gingen ruhig und kräftig.
    Ilfa entfachte das Feuer wieder und schleppte Holz herbei. Das Wasser im Teetopf begann zu summen. Eine Rauchfahne stieg fast senkrecht in die Höhe. Leise sagte Ilfa zu dem schlafenden Fremden:
    »Nun haben wir reichlich Ausrüstung. Caronj und Sgnore, die beiden Mimesen… Helmond – sie werden nichts mehr brauchen… Nicht mehr daran denken!«
    Ilfa wickelte Essen aus den feuchten Tüchern, warf zerbrochene Blätter ins kochende Wasser und versuchte dann, Mythor einen Becher Tee einzuflößen. Ilfa hatte zwischen den Habseligkeiten von Tautason eine Honigwabe gefunden und süßte den Tee, den Mythor trank, ohne aufzuwachen.
    »Was tu ich mit dir?« murmelte Ilfa. »Was kannst du nutzen? Du bist jung, groß und hast starke Muskeln. Wenn du ausgeschlafen bist, wirst du lernen. Zum erstenmal in meinem Leben bin ich auf mich allein gestellt. Ich brauche einen mutigen Mitstreiter.«
    Ilfa schnallte das Schwert ab und legte es zu Köcher und Bogen.
    »Hüte du seinen Schlaf, Wolf, ich bin zu müde«, sagte Ilfa, wickelte sich in den Mantel des Zentauren, schob eine Packtasche als Kissen unter den Kopf und schlief fast augenblicklich ein.
*
    Mythors Augen waren offen.
    Er wußte, daß er tief und lange geschlafen hatte. Sein Magen knurrte, aber er fühlte sich unter den warmen Decken und auf dem Lager aus Laub und einem Fellmantel wohlig warm und geborgen. Schweigend blickte er um sich.
    Er sah Waffen und sprach unhörbar mit sich selbst. Er erkannte die Waffen und deren Bedeutung, und er wußte, daß er sie gebrauchen konnte. Was er erlebt hatte, bevor er hier einschlief, wußte er nicht, er hatte es vergessen. Schließlich flüsterte er:
    »Aber die Sprache habe ich nicht verloren. Auch nicht das Wissen, was dies alles bedeutet. Aber ich muß alles andere neu lernen.«
    Mythor, dies war sein Name, würde unablässig lernen müssen. Als er den Kopf wandte, sah er am Waldrand Bewegungen hinter den Büschen. Er entdeckte einen Menschen, der neben der Glut des Feuers lag. Mit einem Griff erreichte Mythor den Becher, trank den süßen Tee aus und begann zu ahnen, daß die kommende Zeit für ihn nichts anderes sein würde als das stetige Streben nach Wissen und Kenntnissen und ein harter Kampf ums Überleben.
    Er begegnete dem Blick des überaus jung wirkenden Menschen. Dieser stand auf und blieb vor Mythor stehen.
    »Ich bin Ilfa«, sagte er. »Der andere war mein Vater Helmond. Ich bin sicher, daß Mythor dein richtiger Name ist.«
    »Ich bin es auch«, sagte er, ebenso in Gorgan. Mythors Augen glitten zum Bogen und zum Köcher. Ilfa fuhr fort:
    »Ein großer Wolf bewachte deinen Schlaf. Schon vorher sahen wir auch einen schneeweißen Falken und ein schwarzes Einhorn. Über deinem Kopf war, als ich dich das erstemal sah, ein unwirkliches Licht.«
    Ilfa wandte sich ab und legte Kleidungsstücke zurecht. Mythor erhob sich ebenfalls und bezähmte seinen Wissensdrang. Er fühlte sich frisch und stark. Er kannte sein altes Leben nicht, aber jetzt fing für ihn ein neues Leben an. Er schlüpfte in ein braunes Lederhemd mit langen Ärmeln und verschnürte es vor der Brust, ein Lederkittel reichte bis eine Handbreit über das Knie. Ein einfacher Gürtel mit einer großen Schnalle verschloß Hemd und Kittel.
    »Ich würde den Wolf gern sehen«, sagte er und zog sich die Stiefel an. »Aber der Wolf ist nicht da.«
    Ilfa gab ihm einen großen Dolch, fast ein kurzes Schwert. Er schnallte die Scheide an die linke Seite und packte den Bogen. Er zeigte auf ein Tier, das äsend näher kam. Geschickt zog Mythor einen Pfeil aus dem
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