Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
Satz an. Caronj wich zur Seite aus, senkte die Lanze und richtete die Spitze auf das furchtbare Gebiß des Tieres. Die Krallen des Angreifers rissen tiefe Spuren in das Moos zwischen den Steinen, kratzen über die Quadern und schimmerten auf, als das Tier sich auf Caronj stützte.
    Die Spitze der Lanze zuckte nach vorn und traf die Schulter der Bestie. Caronj stützte sich auf die Waffe ab und sprang mit aller Kraft zur Seite. Das Raubtier und er wurden auseinandergeworfen, aber die Riesenkatze riß sich los, rutschte über die Platten und spannte die Muskeln zum zweiten Sprung. Der amaritische Zentaur zog in einer schnellen, gleitenden Bewegung die Kampfaxt aus dem Gürtel und schwang sie mit der linken Hand über dem Kopf.
    Als das Raubtier zum Sprung ansetzte, aus einer klaffenden Schulterwunde blutend, ertönte von dort, wo sich die schmale Straße hinter den Büschen versteckte, ein zorniges Wiehern. Die Raubkatze sprang. Wieder wehrte Caronj den Angriff mit der Lanzenspitze ab. Das Eisen traf einen Knochen, die Katze wirbelte mit den Pranken durch die Luft und stieß einen gellenden Schrei aus. Dann schlug Caronj mit der Axt zu und traf eine der zuschlagenden Pranken.
    Das Raubtier landete, nachdem es mit den Krallen seinen Rücken getroffen hatte, im Morast jenseits des Steinrandes. Caronj wandte sich dem neuen Angreifer zu.
    Er erstarrte vor Erschrecken und Erstaunen.
    In gestrecktem Galopp preschte ein riesiges, schwarzes Pferd auf ihn zu. Nein! Kein Pferd! Es trug auf der Stirn ein langes, gefährlich wirkendes Horn, das auf die Raubkatze zielte, als das schwarze Pferd – das Einhorn – den mächtigen, edel geschwungenen Hals bog und den Kopf senkte. Es wieherte wieder, bäumte sich auf und stürzte sich mit trampelnden Hufen auf die Katze.
    Das Raubtier war hinter Caronj hervorgekommen, setzte zum Sprung an und fauchte wütend. Gelber Geifer stand auf den Lippen. Hunger schien nicht allein der Grund für diese Beharrlichkeit zu sein. Die Riesenkatze schnellte sich hoch, schien einige Augenblicke in der Luft zu schweben und wich einem Hieb von Caronjs Streitaxt aus.
    Im selben Augenblick trafen das schwarze Einhorn und die Riesenkatze aufeinander. Caronj duckte sich und sprang rückwärts ins Gebüsch. Es gab einen dumpfen, krachenden Schlag, als das Einhorn sein Horn in den Körper des Raubtiers rammte, seinen mächtigen Kopf schüttelte und das Raubtier mit mehreren Huf schlagen traf.
    Die Raubkatze versuchte zu entkommen, überschlug sich in der Luft und krachte schwer auf die schmale Straße. Das Einhorn drehte sich und schlug mit beiden Hinterbeinen aus. Ein hämmernder Doppelschlag traf das Raubtier und schleuderte es einige Mannslängen weit zurück. Heulend und fauchend rannte die Katze davon. Der Zentaur stemmte sich aus der Fläche aus Blättern und kam auf die Beine.
    Er überlegte: ein schneeweißer Falke und ein schwarzes Einhorn.
    Tiere, von denen er niemals gehört hatte. Aber das Einhorn hatte ihm das Leben gerettet, ohne Zweifel.
    Das Raubtier flüchtete, so schnell es konnte. Mit wirbelndem Hufschlag folgte das Einhorn dem Tier. Der Zentaur sprang auf die überwachsene Straße hinaus und strengte sich an, um dem Einhorn zu folgen. Er hielt Kampfbeil und Speer in beiden Händen und begann zu galoppieren. Aber binnen weniger Augenblicke verlor sich vor ihm das harte Geräusch der Hufschläge zwischen den Bäumen und in der Düsternis des Dschungels.
    Der Hengster versuchte dem Einhorn zu folgen.
    Aber sowohl das Raubtier als auch das Einhorn waren verschwunden. Caronj entdeckte nur einige Blutstropfen und die Spuren von Krallen und Hufen auf den Platten der uralten Straße. Aber obwohl er versuchte, auf diesem harten Untergrund an Geschwindigkeit zu gewinnen, ohne daß er auf die tief hängenden Zweige und Äste achtete, von denen dieser Rest der Straße überwuchert war. Er duckte sich und versuchte immer wieder, etwas zu hören oder zu sehen. Vergeblich!
    Ein Einhorn war ebenso verschwunden, wie es aufgetaucht war. Als ob es dieses Wundertier niemals gegeben hätte.
    Die Straße, auf der er entlanggaloppierte, wand und drehte sich durch den wild wuchernden Dschungel. Von jedem einzelnen Blatt schienen Tröpfen zu fallen; zwischen den Gewächsen dampfte dünner Nebel hervor. Durch die Geräusche seiner eigenen Atemzüge, sein Keuchen, das Hämmern seiner vier Hufe und das Tropfen und Knistern und Rauschen zwischen den Ästen und Zweigen hindurch hörte er plötzlich ganz andere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher