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Am Anfang des Weges

Am Anfang des Weges

Titel: Am Anfang des Weges
Autoren: Richard Paul Evans
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Besucherzahlen und Umsätze waren eingebrochen. Schätzungen zufolge würde es dieses Jahr sogar noch schlimmer werden. Der Leiter der Bezirksverwaltung hatte gehört, wir seien gut, und forderte uns auf, uns um den Auftrag zu bewerben. Ich entwarf eine urkomische Kampagne mit sprechenden Kühen. (Das war vor den Glückliche-Kuh-Kampagnen der California Cheese Association.) Man könnte sagen, ich hatte es schon mit sprechenden Kühen, bevor sie cool wurden.
    Weder Kyle noch ich hatten die Leute, bei denen wir uns um den Auftrag bewarben, je kennengelernt, daher dachte ich, wir sollten zunächst das Eis brechen und für ein bisschen Spaß sorgen, indem wir eine als Scherz gedachte Plakatkampagne präsentierten. Würde man in der Geschichte schlechter Erfindungen nach einer Entsprechung suchen, so wäre dies in etwa der Beton-Fallschirm. Ich hatte nicht bedacht, dass Bürokraten keinen Humor haben. Die Temperatur sank deutlich um ein paar Grad, als das Marketingkomitee des Jahrmarkts unser Büro betrat. Sie waren zu dritt, steif und so verkrampft, dass ich überlegte, ob sie ihre Köpfe wohl noch drehen konnten.
    Ich kannte die Namen der Komiteemitglieder nicht, daher dachte ich mir selbst welche für sie aus: Hutmann, Kirchentante und Kapitän Hochwasserhose. Sie nahmen an unserem Konferenztisch Platz und sahen mich erwartungsvoll an. Ich war schon auf Beerdigungen gewesen, bei denen es weniger feierlich zugegangen war. Unklugerweise hielt ich an meinem Plan fest und präsentierte das erste Plakat.
    Kommt zum Jahrmarkt,
die ganze GANG ist schon da
    Sie starrten das Schild an, in fassungslosem Unglauben.
    »Gangs …«, piepste die Kirchentante.
    »Hier kommt das nächste«, sagte ich. Kyle quollen fast die Augen aus dem Kopf.
    Zeigt eure WAHREN FARBEN,
kommt zum Bezirksjahrmarkt
    Einen Augenblick lang sprach niemand ein Wort, dann sagte der Hutmann: »Farben? So wie Gangfarben?«
    Ohne zu antworten, zeigte ich das nächste Bild.
    Macht euch einen MORDSspaß
auf dem Bezirksjahrmarkt
    Allen dreien klappte gleichzeitig der Kiefer herunter, und der Kirchentante entfuhr ein Stöhnen. Kapitän Hochwasserhose senkte für einen Moment den Blick und rückte seine Brille zurecht. »Ich denke, hier sind wir falsch.«
    Kyle sprang auf. »Hey, das war nur ein Spaß«, sagte er.
    »Das stimmt«, sagte ich. »Ich dachte, wir lockern die Sache mit ein bisschen Humor auf.«
    Kapitän Hochwasserhose musterte Kyle mit dem kalten, durchdringenden Blick eines Einwanderungsbeamten. »Das ist Ihre Vorstellung von Humor?«
    Kyle deutete auf mich. »Ehrlich gesagt, ist es seine Vorstellung von Humor.«
    »Ich finde das nicht sehr amüsant«, sagte die Kirchentante und erhob sich.
    Die Mitglieder des Komitees sammelten ihre Sachen ein, verließen den Raum und ließen mich und Kyle allein zurück. Wir sahen uns verwundert an.
    »Das lief ja wie am Schnürchen«, sagte Kyle.
    »Glaubst du, sie werden wiederkommen?«, fragte ich.
    »Nein.«
    »Ja, glaube ich auch nicht«, sagte ich.
    »Lauter Kuhliebhaber«, sagte Kyle. »Ich hoffe, die Crips inszenieren dieses Jahr eine Schießerei bei ihrer Schweineausstellung.«
    (Nachtrag: Die Agentur, für die sie sich schließlich entschieden, entwarf die langweiligste Kampagne, die ich je gesehen habe, eine, die gut zu ihnen passte: einen Fernsehspot mit zwei alten Schachteln, die wie Tante Bea aus Mayberry aussahen, Eistee schlürften und von den guten alten Zeiten plauderten, als der Jahrmarkt in die Stadt kam.)

Viertes Kapitel
    Die einfachsten Entscheidungen haben oft die schwerwiegendsten Konsequenzen.
    Alan Christoffersens Tagebuch
    Der Zusammenbruch begann an einem Tag wie jeder andere. Der Wecker klingelte um sechs. Ich streckte die Hand aus und drückte auf die Schlummertaste. McKale kuschelte sich an mich und presste ihren weichen, warmen Körper an meinen. Sie begann, sanft mit den Fingernägeln über meine Brust zu streichen. Es gab für mich fast nichts Schöneres auf der Welt. Ich atmete verzückt aus. »Hör nicht auf.«
    Sie küsste meinen Nacken. »Was hast du heute vor?«
    »Arbeiten.«
    »Meld dich krank.«
    »Es ist unsere Firma. Bei wem sollte ich mich da krankmelden?«
    »Du kannst dich bei mir krankmelden. Ich gebe dir frei.«
    »Für gutes Betragen?«
    »Nein. Du bist alles andere als gut.«
    Ich lächelte und küsste sie. Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, staunte ich darüber, dass diese Frau noch immer in meinem Bett lag.
    »Ich wünschte, das könnte ich. Aber wir bewerben uns
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