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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman
Autoren: H kan Nesser
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selbstverständlich und widerstandslos wie eine gut gepflegte Tomatenstaude in einem Gewächshaus. Es ist eine Pflicht, denkt sie. Nichts anderes als eine gebotene Pflicht. Man muss seinem Leben gegenüber gerecht sein.
    Und die Strafe hat sie ja schon abgesessen.
    Sie hat nicht vor, es noch einmal zu tun.
    Deshalb ist die Planung so wichtig. Sie dankt ihrer inneren Stimme für ihre Ruhe. Sie denkt an Billy.
    Als er das Moped wie üblich an die Kiefer lehnt, betrachtet sie ihn. Die Zeitung unter dem Arm; er nickt träge in ihre Richtung, geht hinein und holt die Decke. Breitet sie an einer schattigen Stelle im Gras aus, legt sich gemütlich hin und beginnt, in der Zeitung zu blättern. Sie haben den ganzen Tag noch kein Wort miteinander gewechselt.
    Sie erkennt, dass sie das auch nie mehr tun werden.
    Nach einer Weile ist er auf der Decke eingeschlafen. Die Zeitung auf dem Gesicht, es ist wie immer.
    Sie geht in der Küche die Bratpfanne holen. Sie ist aus Eisen, schwer und stabil.
    Breitbeinig stellt sie sich über seinen Kopf. Denkt, wie gut es ist, dass die Zeitung liegt, wo sie liegt, so dass ihr der Anblick erspart bleibt.
    Atmet tief durch und schlägt zu.
    Zwei Dinge hört man: erstens den Klang der Bratpfanne, zweitens, wie etwas bricht, als würde man einen Ast abbrechen. In ihrem Kopf taucht eine Zeile aus einem Lied auf, was ein wenig seltsam ist. There is a crack in everything, that’s how the light gets in. Sollte damit etwa Arnolds Schädelknochen gemeint sein? Dass nun endlich ein bisschen Licht in seinen verdunkelten Schädel fällt?
    Wahrscheinlich stirbt er bereits an diesem schweren Schlag. Arme und Beine zucken ein paarmal, dann liegt er still. Sicherheitshalber sticht sie ihm trotzdem fünf, sechs Mal mit dem Tranchiermesser in den Bauch.
    Lässt ihn eine Weile liegen und bluten, bevor sie ihn mit der zweiten Decke zudeckt und denkt, wie gut es doch ist, dass sie keine Nachbarn haben.
    Sie denkt an Billy. Denkt an alles.
    Mit dem Rest wartet sie bis zum Abend. Sie sitzt am Gartentisch und trinkt Kaffee, während Arnold liegt, wo er liegt. Sie löst ein Kreuzworträtsel. Es ist Sonntag, und am Nachmittag sind auf dem See einige Boote unterwegs, ja, sie muss die Abendstunden abwarten. Die Bratpfanne ist wieder an ihrem angestammten Platz, das Tranchiermesser in seiner Schublade. Es ist ganz einfach zu töten, denkt sie. Zwei sorgsam ausgewählte Küchenwerkzeuge reichen völlig.
    Die Decken und die Zeitung legt sie in die Tonne, um sie später zu verbrennen. Nicht an diesem Abend, es reicht, wenn sie es am nächsten Tag erledigt. Arnold ist kleiner und dünner als Harry, weshalb sie die Leiche diesmal nicht zerlegen muss, wofür sie dankbar ist. Sie schafft ihn ohne größere Mühe ins Boot. Holt die alte Eisenkette aus dem Schuppen und umwickelt seine Leiche mehrmals mit ihr, sie ist lang und wiegt bestimmt zehn Kilo oder sogar mehr. Trotzdem befestigt sie an ihrem Ende einen Blecheimer mit einem großen Stein darin. Ein altes Vorhängeschloss, ein Meter Stahldraht, und sie ist fertig. Gegen zehn Uhr abends rudert sie mit ihrer Fracht auf den See hinaus.
    Um das Schilfröhricht herum und anschließend schräg nach rechts, dort ist der See am tiefsten, hat Arnold ihr erzählt. Keine Stelle, an der man Hechte angeln würde. Mindestens fünfzehn, vielleicht auch zwanzig Meter tief.
    Aber eine ausgezeichnete Stelle für Arnold selbst. Sie hievt alles über Bord und verliert ein Ruder, bekommt es aber wieder zu fassen. Als sie zurückrudert und das Boot an Land zieht, empfindet sie nichts als tiefe Befriedigung.
    Das Moped nimmt sie allerdings nicht mit ins Boot, das geht nicht. Sie wartet noch eine Stunde und schiebt es dann die dreihundert Meter zur Landstraße hinauf, ehe sie es anlässt. Die Hände in Handschuhen, sie hat an alles gedacht. Sie glaubt nicht, dass in den nahegelegenen Sommerhäusern jemand ist, aber es wäre dumm, etwas zu riskieren.
    Das Risiko, dass jemand Arnold von der Tankstelle zurückkommen gehört hat, ist sie bereits eingegangen. Damit muss sie leben. Sie wird niemals zugeben, dass er an diesem Nachmittag zurückgekehrt ist, und glaubt nicht, dass jemand das Gegenteil bezeugen wird.
    In allem, was geschieht, muss es letztlich eine Art Gleichgewicht geben. Sie vertraut auf etwas Höheres, weiß nicht wirklich, auf was.
    Ziellos fährt sie eine halbe Stunde lang nach Westen. Begegnet keinem einzigen Fahrzeug, wird nur von einem Kleintransporter mit norwegischem Nummernschild
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