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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen
Autoren: Andreas Giebel
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rumsitzen, und wir müssten nicht sämtliche Pinakotheken ablaufen.«
     
    In diesem Moment kam der fränkische Museumswärter daher. »Halloo? Sie, wer veranstalded denn da so ein Gebrülle? Sie, ich muss Sie bidden, a weng leiser zu sein. Aach wenns haaßt Binakodeg der Moderne, Sie sind hier nicht irchendwo. Wenn Sie sich schon unterhalden müssen, dann bidde in einem moderaden Don!«
     
    Ich wollte mich natürlich sofort entschuldigen, aber von der anderen Seite kam schon wieder Puschkin, der hatte alles mitgekriegt. Er deutete auf den Aufseher und meinte: »Das wäre doch ein Beruf für unseren bettlägerigen Mittelständler.«
     
    »Nein, nein, Puschkin, das wäre nichts für den Elmar, ich kann’s dir erklären.«
     
    Puschkin: »Ich brauche keine Erklärungen. Ich weiß schon, was wir tun. Für einen Menschen, den ich noch nie gesehen habe, soll ich einen neuen Fluchtweg entdecken. Am besten so, dass er es nicht merkt, den Fisch filetiert auf einem Silbertablett.«
     
    Placebo: »Ach, Puschkin, das ist a Schmarren, was du erzählst. Du machst einen Denkfehler, das ist anders. Wir tun ihm einen Gefallen, das ist der Unterschied. Das ist wie beim McGyver, der hat auch nicht gefragt warum, der hat gesagt, gebt mir eine Schnur oder eine Streichholzschachtel und dann passt’s schon.«
     
    Aber Puschkin baute sich schon vor dem fränkischen Museumswärter auf: »Mit welchem Recht reglementieren Sie Menschen?« Ich habe genau gewusst, was Puschkin vorhatte. Der wollte den so fertig machen, dass er den Beruf wechselt, an dessen Stelle dann Elmar treten soll. So weit kenne ich ihn schon.
     
    »Mit welchem Recht reglementieren Sie Menschen, können Sie mir das sagen?«
     
    Museumswärter: »Na, horchen Sie mal, das ist mein Beruf!«
     
    Puschkin: »Vordergründig, mein Lieber, vordergründig. Soll ich Ihnen mal was sagen? In Wirklichkeit wollen Sie Macht ausüben, Macht über Menschen, die wegen einer Kunst kommen, von der Sie keine Ahnung haben, um damit Ihre komplett bildungsfreie Vergangenheit zu vertuschen. Wahrscheinlich sind Sie im Heim aufgewachsen oder bei einer Mutter, die getrunken hat. Ihren Vater haben Sie nie gekannt, und jetzt stehen Sie hier und täuschen uns ein falsches Selbstbewusstsein vor. Und wollen uns etwas erzählen über Lautverschiebung und Phonetik? Soll ich Ihnen was sagen? Gehen Sie heim! So viel von meiner Seite.«
     
    Als Puschkin wieder zu uns kam, belehrte ich ihn: »Puschkin, das hätte es nicht gebraucht. Der Elmar wird hier nicht arbeiten können, weil er demnächst blind ist. Und als Blinder arbeitet man bekannterweise nicht als Aufseher.«
     
    Da war es schon zu spät. Voller Resignation zog der Museumswärter seine gesamte Uniform aus. Jacke, Hose, Mütze, warf alles an eine Büste von Gustav Hans Strümpel und ging langsam in Unterwäsche Richtung Ausgang. Großes Aufsehen bei den Besuchern, für die das natürlich Aktionskunst war. Hinter der Büste von Gustav Hans Strümpel tauchte das halbe Gesicht von unserem Freund Achter auf: »Jetzt war ich grad der Max Schmeling, habt ihr schon gemerkt, oder?«
     
    In etwas gedrückter Stimmung liefen wir Richtung Innenstadt. Da stoppte uns Placebo mit einem Zettel in der Hand: »Also, jetzt passt mal auf. Falls wir für den armen Teufel wirklich nichts finden, habe ich schon mal eine Anzeige aufgesetzt. Vielleicht nutzt die was. Also: ›Wir suchen gutbezahlte Arbeit für blinden, bettlägerigen Leichtathleten mit Diabetes, einer Niere und wenig Nebenhoden.‹«
     

Zwischen Scylla und Charybdis
     
    Das war ungefähr der Zeitpunkt, an dem ich das Gefühl hatte, ich bin nicht mehr ganz der, der ich gern wäre. Da rückte so ein kleines inneres Ich auf die Seite. Jetzt waren wir ausgerechnet noch in der Fußgängerzone gelandet. Kein gutes Umfeld für Puschkin, hätte ich wissen müssen, aber jetzt waren wir schon da. Wie der die ganzen Läden gesehen hat… ich hatte schon Angst, der kollabiert.
     
    Puschkin: »Was ist das hier? Was will mir diese Stadt damit sagen? Schuhe, Schmuck, Taschen, Parfüm, Parfüm, Taschen, Schuhe, Schmuck. Diese Stadt kann mich nicht meinen. Wahrscheinlich war es Poseidon, wir befinden uns bereits zwischen Scylla und Charybdis, wenn nicht bereits im Totenreich.«
     
    Mit diesen Worten bewegte sich Puschkin auf einen Informationsstand einer freien kirchlichen Gemeinde zu. »Ah…«, Puschkin beugte sich hinab und roch am Tisch: »… der Geruch … den Geschmack von dem Geruch hätte ich gerne,
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