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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Nässegefühl am ganzen Körper von dem Bad im Kellerlabyrinth her. Nur die Flüssigkeit, die an meinem rechten Arm entlanglief, war kein Wasser.
    »Wo bleibt das Verbandszeug?«, hörte ich Usedom rufen.
    »Schaff dir endlich einen gescheiten Whisky an, Maria«, murmelte ich.
    Die glatzköpfige Wirtin betrachtete das Glas in ihrer Hand und schüttelte den Kopf. »Wieso? Kost mich vier Euro die Flasch.«
    »Und wann spendierst du die Zehn-Euro-Flasche? Erst bei einem Kopftreffer?«
    »Du bist nicht getroffen«, antwortete Usedom. »Du hast einen Kratzer am Arm, und dein Schädel sieht auch nicht koscher aus.«
    Richtig, wir zwei waren ja neuerdings per Du. Seit unserer letzten Begegnung an gleicher Stelle war verdammt viel passiert. Ich sah mich um. Meine Jacke hing über einem Stuhl, Hose und Schuhe starrten vor Schmutz.
    »Komm, trink noch ein Schluck«, mahnte Maria. Ich nahm ihr das Glas aus der Hand und leerte es in einem Zug.
    »Wenn ich tot wäre«, sagte ich und schüttelte mich, »würde ich testamentarisch bestimmen, dass du nur noch Talisker oder Lagavulin ausschenken darfst. Aber ich bin nicht tot. Wieso eigentlich nicht?«
    »Wege ihm.« Maria deutete auf Usedom.
    »Quatsch«, sagte der und zeigte mit dem Daumen hinter sich. »Eher wegen dem da.«
    Vor der Tür des Englischen Jägers lag einer am Boden. Hermann von Kant war es nicht. Zwei Kneipengäste kümmerten sich um den Mann.
    »Kapier ich nicht«, sagte ich. Usedom half mir aufzustehen. Ich hielt mich an einem Tisch fest, bis sich mein Kreislauf stabilisiert hatte. Maria kam mit einer Handvoll geblümter Servietten, um mir das Blut wegzuwischen. Es war wirklich bloß ein Kratzer, eine Erinnerung an meinen Sprung über den Zaun. Kants Kugeln hatten mich verfehlt. Für einen eiskalten Killer war er ein verdammt schlechter Schütze. Traf möglicherweise nicht einmal im Innern eines Mini. Höchstens den Mini.
    »Ist der Notarzt alarmiert?«, fragte einer von der Tür her.
    »Ja«, antwortete Usedom, um grimmig hinzuzufügen: »Aber wir haben ihm gesagt, dass er sich nicht zu beeilen braucht.«
    Der Mann auf dem Boden stöhnte.
    Ich trat zu dem Grüppchen hin. Einer der beiden Helfer war der Obdachlose, der vorhin durch die Kußmaulstraße gestromert war. Der andere gehörte zu Marias Stammgästen. Ihr Samaritertum in allen Ehren, aber mehr als gute Ratschläge und Erinnerungen an eigene Wunden aus der Jugendzeit brachten sie nicht zustande. Der Mann, der sich zwischen ihnen krümmte, trug heute einen Anzug statt schwarzer Ballonseide. Trotzdem erkannte ich ihn. Er hatte einen Pferdeschwanz und eine große Narbe am Hals.
    »Na, Mister Security?«, begrüßte ich ihn. »Interessante Art, den Boden zu wischen.«
    Er sah auf, Panik im Blick. »Die spinnen hier«, keuchte er. »Alle!«
    »Das stimmt. Aber niemand von uns liegt im Weg rum. Nur Sie. Gibt es einen Grund dafür?«
    Keine Antwort. Der Schmerz presste ihm die Kiefer zusammen. Ich ging zu Usedom zurück.
    »Kann mir jemand erklären, was passiert ist?«, sagte ich und ließ mich auf die Bank fallen.
    »Ich wills versuchen«, grinste der Schriftsteller.
    »Wer braucht zu trinke und was?«, rief Maria durch die Gaststube. »Heut alles auf Haus.« Sie nahm die Bestellungen in Empfang, schenkte ein, teilte aus. Die Helfer bekamen ihre Belohnung, Narben-Ede einen kalten Waschlappen. Und zwar mitten ins Gesicht.
    »Mir reicht das hier«, sagte ich und griff zur Whiskyflasche. Seit der einen Scheibe Brot zum Frühstück hatte ich nichts zu mir genommen. Kein Wunder, dass mir der Alkohol sofort ins Blut schoss. Die Schmerzen an Kopf und Gliedern verabschiedeten sich, ein wolkiges Nach-mir-die-Sintflut-Gefühl zurücklassend.
    »Wer war dieser Typ mit der Knarre?«, wollte Usedom wissen. »Der hinter dir her war?«
    »Der Drahtzieher des Anschlags. Aber erzähl mir lieber, warum der Securitymann hier liegt. Ich habe keinen blassen Schimmer, was passiert sein könnte.«
    »Gern. Prost!«
    Weinschorleglas stieß gegen Whiskyflasche. In der Ferne war wieder einmal ein Martinshorn zu hören.
    »Also«, begann Usedom. »Wir sitzen hier ganz friedlich an unseren Tischen, an nichts Böses denkend. Plötzlich: Auftritt Max Koller durch die Küche. Jeder Meteorit könnte sich ein Beispiel daran nehmen. Großes Geschrei. Gleichzeitig wird die Vordertür aufgerissen, und herein stürmt der Narbenotto mitsamt Verstärkung. Drei schwere Jungs. Allgemeine Verwirrung. Du rappelst dich auf, springst über Tische und
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