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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest
Autoren: Marcus Imbsweiler
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das Anschlagsziel gewesen sein, ganz schnell.«
    »Möglich«, brummte Fischer. »Diesem Manteuffel werde ich mal auf den Zahn fühlen.«
    »Aber wer waren die Auftraggeber des Anschlags?«, fragte Usedom.
    »Keine Ahnung. Wenn es diesen Krieg der Manager oder der Unternehmen wirklich gibt, hat Manteuffel jede Menge Feinde. Den Firmenpatriarchen, dessen Lebenswerk zerschlagen wurde. Den Aufsichtsrat, der sich um Einfluss und Geld gebracht sieht. Die Regierung, deren Land Manteuffel in den Ruin ritt.«
    »Und dafür riskiert man vier oder mehr Opfer?«
    »Je mehr Opfer es gibt, desto besser können sich die Auftraggeber hinter ihnen verbergen.«
    »Das ist nicht mehr meine Welt«, grummelte Fischer. »Das nicht.«
    Ich reichte ihm das Heft. »Hier drin finden Sie bestimmt jede Menge von Kandidaten. Lesen Sie gründlich. Und bezahlen Sie bitte für mich oben am Zeitungsstand.«
    »Kommen Sie nicht mit?«
    »Gleich. Geben Sie mir fünf Minuten, damit ich durchschnaufen kann.«
    »Ich sollte meinen Wagen wegfahren«, sagte Usedom. »Die Taxifahrer werden mich steinigen.«
    Beide verabschiedeten sich.
    Ich stand eine Zeit lang auf dem Bahnsteig herum, müde, angeekelt, leer. Auf der Zunge einen unangenehmen Whiskygeschmack. Zu meinen Füßen lagen Pupserchens Rosen. Ich hob sie auf und setzte mich auf die Treppenstufen.
    Reisende gingen in beiden Richtungen an mir vorbei. Koffer wurden geschleppt, Kinder an der Hand gezerrt. Ich beachtete sie nicht. Ich dachte auch an nichts, genoss bloß die laue Luft und die unregelmäßigen schwachen Windstöße. Die Geräusche waren interessant: das Klappern des Schuhwerks, das Gebrumm der Lautsprecher, das Ächzen ein- und abfahrender Züge. Ich schloss die Augen und lauschte.
    Eine Durchsage. Der verspätete ICE aus Basel zur Weiterfahrt nach Dortmund. Bewegung auf Gleis 8. Wann war ich das letzte Mal weggefahren? Über Mannheim oder Frankfurt hinaus? Musste Jahre her sein. Einfahrt des Zuges. Ich sollte zusteigen und abhauen, auf diese irischen Inseln, von denen Leander immer schwärmte. Einen ICE kapern. Den Zugführer mit meinem Whiskyatem außer Gefecht setzen. Zur Weiterfahrt nach Dublin bitte einsteigen!
    Türen öffneten sich. Ich stellte mir vor, wie Leute ausstiegen, den Bahnsteig wechselten, in ein neues Leben fuhren. Alle Züge standen still, unter ihnen bewegte sich die Erdkugel. Wo einer den Bahnhof verließ, blieb Leere zurück. Immer noch hielt ich die Augen geschlossen.
    »Max! Das ist ja eine Überraschung!«
    Ich riss die Augen auf. Christine!
    »Woher wusstest du, wann ich ankomme?«, rief sie.
    Ich stand auf. Etwas wacklig. Ihre Umarmung war heftig wie nie. Als sie mich losließ, glänzten ihre Augen.
    »Hallo«, murmelte ich.
    »Sind die für mich?« Sie zeigte auf die Rosen neben mir und fing an zu lachen. »Frisch aus dem Mülleimer oder was? Entschuldigung, war nicht so gemeint.« Sie hob sie auf, um das floristische Häuflein Elend ausgiebig zu würdigen. »Ehrlich, das sind die schönsten Rosen, die du mir jemals … Sind ja auch die ersten, nicht wahr?«
    »Sieht so aus.« Der Rest meiner Antwort fiel einem nicht enden wollenden Kuss zum Opfer. Christine sah prima aus. Rom hatte es tatsächlich geschafft, sie rundum zu bräunen.
    »Wie gehts dir?«, fragte ich.
    »Gut, danke. Und du? Seit wann trinkst du denn schon vor dem Mittagessen? Du stinkst nämlich ganz schön nach Schnaps.«
    »Besondere Vorkommnisse verlangen …, egal. Ich erzähle es dir später.«
    »Du hast meinen Brief gekriegt«, sagte sie, plötzlich ernst. »Geht es darum? Wir müssen nicht darüber reden. Auch später nicht.«
    »Nein. Das heißt, doch. Ich erzähle dir, warum ich den Whisky brauchte.« Ein Pfiff des Schaffners ertönte. »Sag mal, Christine …«
    »Ja?«
    »Hast du Lust wegzufahren? Jetzt gleich?«
    »Gleich?« Sie lachte. »Ich bin gerade angekommen. Aus Rom, falls du das vergessen hast.«
    »Trotzdem. Lass uns noch mal einsteigen. Für ein paar Tage bloß.«
    »Wieso das denn?«
    »Erklär ich dir nachher. Komm!« Ich nahm ihren Koffer und ihre Hand und zog sie zu dem abfahrbereiten ICE .
    »Aber du hast doch gar keine Sachen dabei. Und wohin willst du überhaupt fahren?«
    »Irland. Ich entführe den Zug. Wohin auch immer.« Wir sprangen in den Wagen und hätten fast eine Schaffnerin umgerissen.
    »Jetzt sind sie endgültig hinüber«, sagte Christine und sah fatalistisch auf das Bündel gerupfter Rosen in ihrer Hand. »Max Koller, du bist verrückt.«
    Die
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