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Als schliefe sie

Als schliefe sie

Titel: Als schliefe sie
Autoren: Elias Khoury
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allerdings nicht. Genauso wenig wusste er, warum Jaffas Bewohner in Erwartung des Herbstes einen ganzen Monat in den sogenannten Rubin-Zelten kampierten.
    Dass Krieg herrsche, sagt Mansûr zu Asma und verschiebt den Ausflug zu den Rubin-Feierlichkeiten auf das folgende Jahr. Die kleine, pummelige Frau aber versteht das nicht. Sie will auf der Stelle zu dem Rubin-Fest.
    »Weinen Sie nicht«, sagte der italienische Arzt. »Pressen Sie noch ein wenig. Gleich ist es überstanden. Alles ist in Ordnung.«
    Das Schiffshorn ertönt. Ein Schiff der Gargour&Fils-Reederei läuft aus. Die Stadt ist leer. Das Meer hatte die Menschen aufgenommen. Wo waren die Menschen?
    Ein großer Mann namens Beiruti, Atallah Beiruti, steht vor dem Befehlshaber der britischen Armee und einem Offizier der Hagana und erklärt Jaffa zur offenen Stadt.
    Das Schiff hupt. Die Juden, bereit, die Stadt einzunehmen. Die Hasan-Bek-Moschee in ihren Händen. Adschami in ihren Händen. Die Bewohner der Viertel fort. Keine Stimme, kein Laut, nur Wind, der die Häuser peitscht.
    »Vergiss den Hausschlüssel nicht«, ruft Milia.
    Mansûr wirft sein Gewehr hin, klettert vom Dach herunter, rennt zu dem griechischen Schiff im Hafen. Rauch steigt auf, der Motor röhrt. Mansûr rennt, er fuchtelt mit beiden Armen, ruft dem Kapitän zu, er soll auf ihn warten. Er stolpert, fällt hin, steht auf, er rennt.
    Das Schiff auf hoher See. Mansûr sitzt an Deck. Jaffa verschwindet.
    »Warum haben Sie die Stadt verlassen?«, fragt ihn ein junger griechischer Matrose.
    Zelte überall.
    »Was ist das?«, fragt Milia. »Warum habt ihr hier Zelte aufgeschlagen?«
    Wegen der Feierlichkeiten zu Ehren des Propheten Rubin, erklärt man ihr. Jaffa schlage am Südufer des Flusses Zelte auf, und die ganze Stadt pilgere dorthin.
    »Wo ist der Prophet Rubin?«
    Prophet Rubin sitze verlassen da und warte auf die Menschen, erklärt man ihr. Sie hätten die Zelte abgebaut und seien fortgegangen. Zurückgeblieben sei nur der Geruch von Blut.
    Blut auf den Straßen. Mansûr steht vor den Ruinen seiner Werkstatt. Die Maschinen überzogen mit Blut und Resten von Körpern. Eine grausame Stille.
    »Wo bist du, Milia?«, schreit Mansûr. »Ich sterbe.«
    »Weine nicht, Liebling. Ich bin hier«, murmelt die Frau im Krankenhausbett.
    Er geht gebückt. Jesus von Nazareth geht gebückt unter der Last des Kreuzes. Entkräftet schleppt er sich durch die engen Gassen der Stadt. Noch nie hat der Mann Anfang dreißig sich so schwach gefühlt. In der Werkstatt seines Vaters hatte er oft Baumstämme gewuchtet, ohne dass es ihn sonderlich angestrengt hätte. Der hagere junge Mann mit grünen Augen, schwarzen Locken und breiter Stirn schien beim Gehen kaum den Boden zu berühren, schien mit spielerischer Leichtigkeit zu arbeiten. Es war, als steckte eine wundersame Kraft hinter seinen Rippen. Wann immer er dem Vater seine Geschichte erzählen wollte, unterbrach ihn Josef. Wann immer er von seinem seltsamen Traum berichten wollte, entriss ihm der Vater das Wort.
    Das gleiche Schauspiel wiederholte sich mit den Fischern auf dem Meer von Galiläa. Als er auf dem Wasser ging, dem Sturm befahl sich zu legen und zu sprechen ansetzte, sagten die Fischer, sie hätten die Botschaft verstanden.
    Als er auf dem Ölberg stand und die Stimme erhob, hörten sie nicht zu. Sie waren verzaubert von dem Licht, das aus seinen Augen strahlte und das Land in einen Olivenhain verwandelte.
    Als er den Menschen sagte, dass sie die Frau nicht daran hindern sollten, seine Füße mit Salböl zu salben und mit ihrem knöchellangen schwarzen Haar zu trocknen, beugten sie sich über seine Füße und ließen ihn nicht über die Liebe sprechen, nicht sagen, dass das offene Haar einer Frau ein Kissen für die ganze Welt sei.
    Als er zu seiner Mutter sagte, dass er nach Jerusalem gehe und sie mit ihm kommen solle, ließ sie ihn nicht zu Ende sprechen. Sie legte ihre Hand auf seinen Kopf und sagte, sie komme mit. Denn sie wisse, dass er der König sei.
    Als sie ihn verurteilten und er, einsam den Henkern ausgeliefert, seine Geschichte erklären wollte, schlugen sie ihm Fragen ins Gesicht, die wie Antworten klangen.
    Er lächelte Magdalena an, als sie ihn fragte, warum er nicht spreche, und sagte, er sei das Wort. Sie aber verlangte von ihm eine Antwort auf ihre Frage.
    »Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Worte sind wie Getreideähren. Keiner besitzt das Wort. Denn Worte sind nichts als Schall, der sich am Kreuz bricht.«
    Er spürte die Last des
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