Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als schliefe sie

Als schliefe sie

Titel: Als schliefe sie
Autoren: Elias Khoury
Vom Netzwerk:
kleinen Stadt zwischen Beirut und Damaskus gefunden, um die Serie der arabischen Niederlagen festzuhalten.«
    »Bitte, ich kann Politik nicht ausstehen. Seit wir in diesem Hotel sind, redest du von nichts anderem als von König Faisal, Maisalûn und solchem Zeug. Ich bekomme Kopfschmerzen davon.«
    Sie ließ seine Hand los und ging zum anderen Ende der Wand, wo zwei Gedichte je in einem Rahmen nebeneinanderhingen.
    Mansûr folgte ihr und las:

    »Das Masâbki bescherte uns großen Genuss,
    Musik und Getränke im Überfluss.
    Schön war es dort und die Stimmung heiter,
    als feiere Abu Nuwâs mit uns weiter.

    Das stammte vom Dichterfürst. Ahmad Schauqi ging hier ein und aus, begleitet von Muhammad Abd al-Wahâb 10 mit Ûd. Abd al-Wahâb griff Schauqis Worte auf und vertonte sie. Und hier ist Khalîl Mutrân 11 , der Dichter der zwei Länder.«
    »Was hat Jesus damit zu tun? Ich mag solche Gedichte nicht.«
    Mansûr trat an das zweite Gedicht heran und las:

    »Verängstigt suchte Maria ihr Kind,
    Jesus war fort – wie Kinder so sind.
    Maria, rief ich, schau nicht so furchtsam drein,
    Jesus wird sicher im Masâbki sein.«

    »Was hat Jesus hier zu suchen? Nein, das ist keine Dichtung!«
    An jenem Tag, dem zweiten Tag ihrer Ehe, erkannte Mansûr, dass er diese Frau, die nun die seine war, nie besitzen würde. Er habe sich in sie verliebt, so offenbarte er seiner Mutter, weil sie eine Frau sei. Groß und gut gebaut, runde Hüften, eine schmale Taille und ein Weiß, das dem von Da’d, der »einzigartigen Perle«, zu gleichen schien. Ihre Erscheinung entsprach seinem Traumbild von einer Frau, das geprägt war von unzähligen Gedichten. Gedichten, die die Liebe besangen und in denen sich angesichts des Körpers der Agebeteten eine Flut von Wünschen und Sehnsüchten entlud.
    Wo war das Verlangen geblieben? Warum empfand Mansûr solch eine tödliche Einsamkeit? Seit dem Tod seines Bruders lebte er in einem Strudel der Unruhe und Angst. Er fürchtete sich nicht vor Jaffa, auch nicht vor dem Krieg. Er hatte sich zur Rückkehr in seine Stadt entschlossen, weil er zurückkehren musste. Außerdem fühlte er sich für Asma, die junge Witwe, verantwortlich. Einmal hatte er sogar geträumt, Ehemann von zwei Frauen zu sein. Asma und Milia. Warum auch nicht? Er verspürte eine unwiderstehliche Begierde. Milia, kugelrund, war im achten Monat schwanger. Das Haar über das Kissen gebreitet, schlief sie. Währenddessen saß er allein im Wohnzimmer, trank Tee und rauchte. Er sah sich selbst zwischen den beiden Frauen, spürte den Puls in seinen Adern und merkte, wie die Lust Besitz von ihm ergriff, so als würde ihn eine Hand bei den Hoden packen und zudrücken.
    Wie von einer inneren Macht getrieben, zog er sich aus und legte sich zu Milia ins Bett. Er rückte an sie heran und umfing ihre Hüften. Sie wand sich und drehte ihm den Rücken zu, das Gesicht von dem offnen Haar bedeckt. Er wechselte auf die andere Seite, sodass er Gesicht an Gesicht mit ihr lag, griff an ihre Brüste und wanderte mit den Lippen über ihren Hals. Kaum aber wollte er in sie eindringen, war alles erstorben. Schlagartig war die Lust verflogen. Als hätte ihn jemand mit kaltem Wasser übergossen, war das Feuer restlos erloschen. Ihm war, als ersticke seine Seele, als bekomme er keine Luft mehr. Er ließ von ihr ab, drehte sich auf den Rücken und wurde plötzlich von Scham erfasst. Mansûr war überzeugt, dass Milia nicht schlief und alles mitbekam. Seit Beginn, also seit der ersten Nacht im Masâbki, glaubte er nicht, dass er eine schlafende Frau beschlief. Doch das Spiel gefiel ihm. Es gab ihm das Gefühl, frei und der Herr im Bett zu sein. Das Gefühl, dass Milia ihm bedingungslos gab, was er wollte, wann immer er wollte. Er mochte dieses Spiel. Denn es entfachte in ihm eine unstillbare Lust. Der unruhige Schlaf der Frau an seiner Seite war für ihn die große Freude, die all die Gedichte aus ihm hervorlockte. Er wusste nicht, was er tun sollte. Wusste nicht, wie er sich aus der Arena des Scheiterns, in die er geraten war, retten sollte.
    Er stand auf, zog eilig Unterwäsche und Pyjama an.
    »Was ist los mit dir?«, hörte er sie fragen.
    Wortlos ging er ins Bad und schloss die Tür ab.
    Milia stand auf, klopfte an die Badezimmertür und fragte ihn, ob er krank sei.
    »Nichts ist los, Liebling«, drang seine Stimme krächzend heraus. »Warte im Bett auf mich.«
    »Wo bist du, Mutter?«, schrie Milia schmerzgequält auf dem Bett im Italienischen Krankenhaus in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher