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Als Oma noch mit Kohlen heizte

Als Oma noch mit Kohlen heizte

Titel: Als Oma noch mit Kohlen heizte
Autoren: Willi Faehrmann
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über ihre Zimmer, aber sie kamen nur schwer mit Frau Krulles Ordnung zurecht. Bevor sie das Haus betraten, mussten sie sich jedes Mal die Schuhe abputzen. Zunächst auf einer großen Fußmatte: Schruppschruppschrupp. Dann einen Schritt weiter in den rotweiß gekachelten Flur hinein, auf einem feuchten Aufnehmer: Tschtschtsch. Und wehe, ein Kind vergaß das! Frau Krulle hörte das mit ihren vierundzwanzig Ohren, stürzte aus ihrer Wohnung und rief: „Zurück, aber schnell! Mein Flur ist so sauber, dass man vom Boden essen kann, und so soll es auch bleiben. Schließlich wische ich die Platten jeden Morgen mit klarem Wasser und freitags wird alles mit Schmierseife geschrubbt.“
    Die Kinder gewöhnten sich schließlich daran.
    Frau Krulle war nicht in allem so kleinlich. Fünf Kinder haben fünf Stimmen, mit denen sie sprechen, schreien, kreischen; zehn Füße, die trippeln, trappeln, stampfen, schlurfen; zehn Hände, die klatschen, Stühle rücken, mit Topfdeckeln gegeneinander schlagen.
    Aber der Lärm der Kinder störte Frau Krulle seltsamerweise nicht. Und selbst die wenigen Male, bei denen es ihr zu bunt wurde, klopfte sie ganz behutsam an die Küchentür der Lohgerbers, trat herein und sagte höflich: „Ach, Frau Lohgerber, ich habe heute Kopfschmerzen. Könnten die Kinder nicht ausnahmsweise einmal ...“
    „Gewiss, Frau Krulle“, antwortete Tilla. „Ist aber auch ein Sauwetter draußen.“
    „Bitte, Frau Lohgerber, bitte erwähnen Sie heute nichts, was mich an Tiere erinnert. Ich fühle mich nicht gut und kann das nicht ertragen.“
    „Ich will daran denken“, versprach Tilla. Ihre Kinder brauchte Tilla nicht zu mahnen.
    „Frau Krulle ist krank“, flüsterten die sich zu.
    „Es hängt noch viel Regen in der Luft, wissen Sie“, sagte Frau Krulle. „Das macht die Kinder kribbelig und bringt mir die Kopfschmerzen.“
    „Sie werden mucksmäuschenstill sein“, versprach Tilla.
    Doch da wurde Frau Krulles Stimme schrill. Sie presste die Hände gegen die Schläfen und rief: „Keine Tiere, Frau Lohgerber! Erwähnen Sie keine Tiere in meinem Haus! Mäuse schon gar nicht!“
    „Ist ja gut, Frau Krulle“, besänftigte Tilla sie. „Keine Tiere, klar. So war’s ja abgemacht. Und ich verstehe Sie ja. Wenn einem so hundeelend ist ...“
    Aber da schluchzte Frau Krulle auf und flüsterte: „Schon wieder ein Tier“, und lief wieselflink die Treppe hinunter.
    „Morgen wird sie sich wieder pudelwohl fühlen“, sagte Martin.
    „Und bärenstark“, fügte Tilla hinzu.
    Einmal vermutete Frau Krulle im Keller eine Ratte. Sie legte sofort Gift aus. Im Garten grub sie Gläser ein, die sie halb mit Bier füllte, damit die Schnecken sich darin sammelten. Sie verbot, im Winter ein Futterhäuschen für Vögel aufzustellen. Wenn die Kinder Läuse aus der Schule mit heimbrachten, schenkte sie den Lohgerbers ein weißes Pulver. Das musste dann auf die Kinderköpfe gestreut werden. Es vertrieb die Läuse zuverlässig. „Keine Tiere!“, sagte Frau Krulle immer wieder. „Keine Tiere!“

Englische Suppe und mehr
    Zwei Jahre wohnten Martin und Tilla schon in der Donnersteinstraße und die fünf Kinder wuchsen heran. Hans, der Älteste, war in der Schlosserlehre und Bertha, das Nesthäkchen, ging ins erste Schuljahr.
    Tilla hatte bereits einige Erfindungen gemacht, aber so richtig hatte noch niemand in der Nachbarschaft gemerkt, dass sie das Zeug zu einer wirklich großen Erfinderin hatte. Eine ihrer ersten Erfindungen war zum Beispiel die „englische Suppe“. Jedes Mal, wenn unerwarteter Besuch kam und die Suppe im Topf eigentlich nicht reichte, schöpfte sie mit der Kelle mehrmals klares Wasser hinein und rührte wild.
    „Es gibt englische Suppe“, sagte sie dann.
    „Englische Suppe?“, fragten Onkel Theo und Tante Sophie und leckten sich die Lippen.
    „Ja“, sagte Tilla. „Die Engländer sollen doch ganz dünne Heringe sein. Die Suppe ist heute auch sehr dünn. Englische Suppe eben.“
    Oder auch die Erfindung mit dem Flötenkessel und mit der Fernbedienung. Aber das ist nicht so einfach zu erklären.
    Tilla las gern. Sie kam selten genug dazu. Wenn sie nach dem Mittagessen gespült hatte und die Küche wieder aufgeräumt war, dann leistete sie sich, wenn es eben möglich war, den einzigen Luxus in ihrem Leben. Sie kochte sich eine Tasse echten Bohnenkaffee. Die gemahlenen Kaffeebohnen schüttete Tilla in die Kanne und füllte dann Wasser in den Flötenkessel. Das war ein hochmoderner Wasserkessel, der vorn
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