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Als Oma noch mit Kohlen heizte

Als Oma noch mit Kohlen heizte

Titel: Als Oma noch mit Kohlen heizte
Autoren: Willi Faehrmann
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am Ausguss eine Pfeife übergestülpt bekam. Wenn das Wasser kochte und der Wasserdampf entweichen wollte, begann der Kessel erst leise zu zwitschern und schließlich schrill zu pfeifen. Dann konnte das siedend heiße Wasser in die Kaffeekanne und über das Kaffeemehl gegossen werden.
    Während das Wasser heiß wurde, legte sich Tilla auf die Holzbank und begann zu lesen. Manchmal war es gerade dann besonders spannend, wenn der Flötenkessel mit seinem Pfeifspektakel anfing. Ob’s ihr angenehm war oder nicht, Tilla musste das Buch beiseitelegen und den Kessel zur Ruhe bringen.
    Darüber ärgerte sie sich. „Der Mensch soll nicht von den Dingen herumgeschubst werden“, sagte sie dann. „Der Kessel soll für mich da sein und nicht ich für den Kessel.“
    Was also lag näher, als dass Tilla sich Gedanken machte, was zu erfinden sei?
    Die großen Erfindungen sind immer ganz einfach, sagte sich Tilla. Sie nahm also einen starken Zwirnsfaden, band das eine Ende um die Flöte, in das andere Ende knüpfte sie eine Schlaufe. Diese legte sie sich um den großen Zeh.
    Wenn nun der Kessel zu pfeifen begann und Tilla nicht gerade in diesem Augenblick aufhören wollte zu lesen, dann ruckte sie mit ihrem Zeh. Der Zwirnsfaden spannte sich und mit einem leisen „Pflopp“ sprang die Flöte vom Kessel. Der gellende Ton war wie abgeschnitten.
    Gut bewährte sich auch Tillas Erfindung mit der Klopapiergeschichte. Tilla schnitt jeden Abend aus der Tageszeitung die Fortsetzungsgeschichte aus. Wenn sie nach einigen Wochen sämtliche Teile der Geschichte beisammenhatte, dann legte sie die einzelnen Blätter zu einem Block aufeinander. Mit der Schere bohrte sie ein Loch durch den Papierstapel, zog eine Kordel hindurch und schlang einen Knoten. Diese zusammengebundene Geschichte hängte sie auf dem Klo an einen Nagel. Es war allen anderen Lohgerbers streng verboten, dieses „Klopapier“ zu benutzen. Die Klopapiergeschichte wollte sie selbst zunächst Stück um Stück lesen und dann so gebrauchen, wie zu Tillas Zeiten das Zeitungspapier in fast allen Familien schließlich und endlich verwendet wurde.
    Einmal hatte Martin die einzelnen Stücke zu einer langen Schlange zusammengeklebt. Tilla hat sie zu einer Rolle aufgewickelt und ein Gummi darüber gezogen. Diese Rolle hat sie hoch oben auf den Wasserkessel im Klo gestellt. Jedes Mal, wenn sie zum Klo musste, hat sie ein Stück von dem Papier abgerissen, hat gelesen, was darauf stand, und hat’s dann dem Endverbrauch zugeführt. Das war die Stunde, in der das Klopapier auf Rollen erfunden worden ist.
    Es gab noch eine Reihe ähnlich hervorragender Erfindungen, aber wie gesagt, es hatte sich in der Donnersteinstraße noch nicht herumgesprochen, was Tilla alles konnte. Zum Glück, muss man sagen; denn sonst wäre Frau Krulle in einer anderen Sache sicher misstrauischer gewesen und Tillas herrlichste Erfindung wäre wahrscheinlich nie gemacht worden.

Auf Samtpfoten
    Es begann damit, dass Martin an einem Montag im Dezember müde von der Hütte nach Hause ging.
    Das war eine halbe Stunde Fußweg. Lieber wäre er mit dem Fahrrad gefahren, aber ein Fahrrad kostete Geld, und das Geld, das Martin verdiente, reichte gerade für die nötigsten Dinge. Deshalb musste das Fahrrad zurückstehen.
    Zum Glück, muss man sagen; denn sonst hätte eine tolle Sache gar nicht erfunden werden können.
    Martin ging also die Kaiserstraße entlang, an der Kirche vorbei und kam zu dem kleinen Bahnhof. Jetzt hatte er die Hälfte des Weges schon geschafft.
    Es war ein düsterer Tag. Ein dünner Schneeregen fegte ihm mit einem strammen Südwind entgegen. Solch ein Wetter liebte Martin gar nicht. Er schlug den Kragen seiner Lodenjacke hoch.
    Da sah Martin, gerade als er unter der Eisenbahnunterführung herging, eine gelbweiß getigerte Katze in dem Eisenwerk der Brücke sitzen. Sie schrie lang und jämmerlich. Hatte sie sich verstiegen? Hatte sie sich eingeklemmt?
    Eine rostige Eisenleiter führte in der Unterführung vom Boden bis hoch in die Brückenträger hinein. Martin besann sich nicht lange, stellte seine Tasche auf den Boden und begann die Leiter hinaufzusteigen. Es dauerte gar nicht lange, da konnte er die Katze greifen. Er hob sie behutsam von dem eisernen Träger herunter, drückte sie an seine Brust und stieg hinab, Tritt für Tritt, bis auf den Boden.
    „So, du Kletterkünstler“, sagte er. „Sieh dich vor, dass dir etwas Ähnliches nicht ein zweites Mal passiert!“
    Er strich ihr übers Fell. Sie
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