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Als Oma noch mit Kohlen heizte

Als Oma noch mit Kohlen heizte

Titel: Als Oma noch mit Kohlen heizte
Autoren: Willi Faehrmann
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Die Haustür erreichte man über zwei Treppenstufen. „Krulle“ stand neben dem unteren Schellenknopf. Der Platz für das Schildchen neben dem mittleren Schellenknopf war leer. Der oberste Schellenknopf gehörte zu der Familie Barufski.
    Kaum hatte Martin auf den Schellenknopf gedrückt, da öffnete Frau Krulle schon die Tür. Sie hat sicher am Fenster hinter der Gardine gestanden und uns beobachtet, dachte Tilla. Damals wusste sie noch nicht, dass Frau Krulle mindestens sechzehn Augen hatte und alles sah, was in der Donnersteinstraße vor sich ging. Dazu besaß sie ungefähr vierundzwanzig Ohren, mit denen sie selbst das Gras wachsen hörte.
    Den Schlüssel für die Wohnung im ersten Stock trug Frau Krulle schon in der Hand. Sie führte Tilla und Martin durch den rotweiß gekachelten Flur. Über die braun gestrichene Treppe ging es in den ersten Stock. Dort öffnete Frau Krulle eine Tür. Gleich darauf standen sie in der großen Küche. Die hatte nur ein Fenster zum Hof hin.
    Auch die drei Zimmer, die sich an die Küche anschlossen, waren ziemlich düster. Aber man schaute durch die Fenster auf einen riesigen Walnussbaum, der beinahe den ganzen Hof ausfüllte.
    Die Stube zur Straße hin war geräumig und durch drei Fenster fiel hell das Sonnenlicht.
    „Das ist eine sehr schöne Wohnung“, sagte Tilla und Martin nickte. Doch ehe sie fragen konnten, wie teuer die Wohnung sein sollte, sagte Frau Krulle: „Pünktlich am Ersten in jedem Monat ist die Miete fällig. Sie beträgt vierundzwanzig Mark achtzig.“
    Tilla war überrascht. Sie hatte mit einer höheren Monatsmiete gerechnet.
    Frau Krulle merkte ihr Erstaunen und fügte hinzu: „Aber um eines muss ich Sie bitten, Frau Lohgerber, Herr Lohgerber, keine Tiere in meinem Haus. Kein einziges Tier darf mir ins Haus kommen.“
    Martin war enttäuscht. Er liebte Tiere sehr.
    Tilla fragte nach: „Hätten Sie denn auch etwas gegen ein kleines Hündchen, Frau Krulle?“
    „Hunde bellen!“, antwortete Frau Krulle barsch. „Die Nachbarn beschweren sich. Außerdem schleppen die Köter Flöhe ins Haus. Keine Hunde, Frau Lohgerber, Herr Lohgerber! Keine Hunde!“
    „Aber ein Kätzchen, Frau Krulle. Ein Kätzchen schleicht auf Samtpfoten durch die Wohnung. Niemand wird sich gestört fühlen!“, versuchte Tilla es noch einmal.
    „Katzenviecher stinken wie die Pest“, rief Frau Krulle empört. „Keine Katzen, Frau Lohgerber, Herr Lohgerber! Keine Katzen kommen mir ins Haus!“
    Und so ging es fort. Tauben gurren in der Frühe, wenn anständige Leute noch schlafen wollen; der Kanarienvogel macht Frau Krulle durch sein Gezwitscher verrückt.
    „Wo ich doch ein so empfindliches Gehör habe!“ Goldfische wollte sie schon gar nicht erlauben. Bei den Wurzewickis nebenan sei das Aquarium zersprungen und das Wasser sei durch die Decke getröpfelt. „Denken Sie nur, Frau Lohgerber, Herr Lohgerber, durch die Decke!“
    „Wir werden es uns überlegen, ob wir die Wohnung mieten“, sagte Martin. „Wir geben Ihnen morgen Bescheid, Frau Krulle.“
    Tilla und Martin kehrten in ihre Wohnung zurück.
    „Das ist eine schöne große Wohnung in der Donnersteinstraße“, sagte Tilla.
    Martin schwieg. Er dachte an den kleinen fuchshaarigen Hund, den sein Arbeitskollege Peter ihm schenken wollte.
    „Wir könnten für jedes Kind ein eigenes Bett aufstellen“, sagte Tilla.
    Martin schwieg. Ihm fiel die schneeweiße, herrenlose Katze ein, die gelegentlich durch den Garten hinter dem Haus streifte. Diese Katze hätte er gern aufgenommen.
    „Die beiden Mädchen hätten ein Zimmer für sich, und die drei Jungen auch“, sagte Tilla.
    Martin schwieg. Er musste an seinen Bruder Theo denken. Theo züchtete Kanarienvögel. Auf einer Vogelausstellung hatte Theo unlängst sogar einen ersten Preis für einen Kanarienhahn gewonnen. Schon oft hatte Theo ihm zugeredet, auch Kanarienvögel zu züchten. Martin hätte gern Kanarienvögel gepflegt. Er schwärmte für den schönen Gesang dieser Tiere.
    „Vorn im Zimmer an der Straße hätten wir dann eine gute Stube“, sagte Tilla.
    Nicht einmal Fische im Glas, nicht einmal Tauben auf dem Dach, dachte Martin und wurde traurig. Aber er sagte nichts.
    „Und die Miete, die ist wirklich ... die ist wirklich niedrig“, sagte Tilla.
    „Gut.“ Martin seufzte und nickte. „Gut, Tilla, ich bin einverstanden. Wir mieten die Wohnung.“

Hundeelend
    Vierzehn Tage später zogen die Lohgerbers in das Haus in der Donnersteinstraße. Die Kinder freuten sich
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