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Als Mutter streikte

Als Mutter streikte

Titel: Als Mutter streikte
Autoren: Eric Malpass
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Germany
    380-ISBN 3 499 14034 9
     

 
     
     
    Für Blanche Malpass
     

1
     
    Es war der letzte Schultag meines Lebens.
    Im Hause herrschte, als ich heimkam, befremdliche Stille. Draußen war es drückend heiß, und wenn man an solchen Sommertagen unser Haus betrat, war es immer, als tauche man in einen tiefen grünen Teich.
    «Viola? Bist du es, Viola?» rief mein Vater.
    Ich ging zu ihm in sein Arbeitszimmer. Er blickte vom Schreibtisch auf und sah mich prüfend an. «Sag mal, Viola, kommt dir in deinem Alter das Leben auch manchmal unbegreiflich vor?»
    Ich hatte Vater sehr gern. Er hatte ein ausdrucksvolles, kluges Gesicht: die eine Hälfte wirkte immer leicht amüsiert, die andere schien fassungsloses Staunen und manchmal auch Verzweiflung auszudrücken; die eine Braue wölbte sich wie ein schützendes Dickicht über dem Auge, während die andere sich skeptischverwundert nach oben zog; der Mund unter dem weichen Schnurrbart hatte etwas Schiefes. Sein Haar, borstig wie eine Fußmatte, fing an grau zu werden. Er sah verdammt intelligent aus, aber in diesem Augenblick schien er bestürzt. Ich überdachte seine Frage kurz und sagte dann: «Nein, ich finde es eigentlich ziemlich unkompliziert.»
    Vater setzte sich tiefer in den Lehnsessel und starrte, die Finger unter dem Kinn verschränkt, vor sich hin. «Wenn du mich fragst, Vi, dann ist es ein wahrer Dschungel.»
    Irgend etwas war da nicht in Ordnung. Die auffällige Stille im Haus war verdächtig. Oft hörte man Mutter um diese Zeit Klavier spielen oder singen. Sie liebte Chopin und Bach. Auch in der Küche schienen die Waffen zu ruhen.
    «Wo ist Mutter?»
    Das Auge unter der hochgezogenen Braue richtete sich wie ein Scheinwerfer auf mich. «Sie ist abgehauen, ob du’s glaubst oder nicht», sagte Vater kurz angebunden.
    «Wie? Richtig fort - für immer?»
    «So ist es, mein Kind. Sozusagen mit Sack und Pack. Ohne sich erst noch groß zu verabschieden. Ein wahrer Segen, daß du weder schön noch intelligent bist.»
    «Wieso?»
    «Weil du sonst womöglich auf die Idee gekommen wärst, irgendwo studieren zu wollen. Oder irgend so ein Narr hätte es sich einfallen lassen, dich heiraten zu wollen. Du wirst jetzt hier gebraucht. Du mußt dich um die Kleinen kümmern.»
    Das hatte ich allerdings in meinen Plänen keineswegs vorgesehen. Ich hatte vor, jetzt, wo die Schule hinter mir lag, Mr. Chisholm von der Midland Bank zu heiraten und zehn Kinder zu kriegen, wovon allerdings weder er noch Vater bisher eine Ahnung hatten. So schnell konnte ich nicht umdenken - Vaters Tempo war mir immer etwas zu stürmisch. «Aber sie kommt doch irgendwann wieder?» fragte ich.
    «Mach dir nur ja keine Hoffnungen darauf. Deine Mutter mag ja weiß Gott viele Fehler haben, aber was sie sich einmal vorgenommen hat, davon bringt sie nichts ab.»
    Ich war immer noch wie vor den Kopf geschlagen. «Aber Vater - ich verstehe das nicht. Habt ihr denn Krach miteinander gehabt?»
    « Krach ? Das kann man wohl sagen. Und zwar in einer Lautstärke, daß du es eigentlich in der Schule hättest hören müssen.»
    Ich schwieg eine Weile und sagte dann ohne große Überzeugung: «Sie geht doch nicht einfach fort und läßt ihre Kinder im Stich.»
    «So, meinst du?» Die rechte Augenbraue schoß steil nach oben.
    Er hatte natürlich recht. Mutter war einfach bezaubernd -schön und fröhlich und die lustigste Kameradin. Aber ein Teil ihres Charmes lag gerade darin, daß sie völlig unberechenbar war. Nein, ein Hausmütterchen war sie nicht gerade.
    Ich zog mir einen Stuhl heran und ließ mich erst mal nieder. Mir war ganz weich in den Knien. «Und was machen wir nun?» fragte ich.
    Vater zuckte hilflos die Schultern. «Ich kann Tee machen, Eier kochen, den Kamin versorgen und Betten machen.»
    Diese Fähigkeiten schien er hoch zu veranschlagen. «Wenn das alles ist», sagte ich.
    «Na, und was ist mit dir? Du bist ja beinahe eine erwachsene Frau.»
    Das erklärte Ziel unserer Schule war es gewesen, junge Damen aus uns zu machen. «Da werden wir uns wohl um dieselben Aufgaben reißen», sagte ich. «Viel mehr habe ich nämlich auch nicht zu bieten.»
    Vater sah mich verstört an. Er lehnte sich über den Schreibtisch, und seine Stimme nahm einen vertraulichen Ton an. «Und was ist mit Trubshaw? Müssen wir für den etwa noch Windeln waschen?»
    «Danke deinem Schöpfer, daß du das mich gefragt hast und nicht ihn», sagte ich. «Sonst hättest du es für alle Zeiten mit ihm verdorben.»
    «Jedenfalls
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