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Als Mutter streikte

Als Mutter streikte

Titel: Als Mutter streikte
Autoren: Eric Malpass
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Erstaunen und Entzücken noch einmal um. «Sagen Sie es mir nur, wenn ich irgendwie helfen kann», flüsterte er mir zu,
    «Danke», stieß ich hervor.
    Er stand da und lächelte mir zu. Einen Augenblick dachte ich wirklich, er würde seiner Verliebtheit die Zügel schießen lassen und mir einen Kuß auf meine fiebernde Stirn hauchen, aber er tat es dann doch nicht. Immerhin - was er tat, war fast ebenso gut. Er ergriff meine Hand, betrachtete sie liebevoll und nachdenklich und drückte sie leicht. Dann ging er.
    Nun - viel war es nicht, wenn man an das denkt, was man in modernen Romanen liest, aber mir genügte es. Jedenfalls muß ich, als ich wieder ins Eßzimmer zurückkam, ausgesehen haben wie die heilige Bernadette nach einer ihrer Visionen, denn Perse musterte mich mit einem entsprechenden Blick. «Paß nur auf», sagte sie. «Miss Buttle hat schon ein Auge auf ihn geworfen.» Also, Ideen hatte diese Perse! Miss Buttle und Clifton - es war einfach zu absurd. Sie war mindestens zehn Jahre älter als er.
    «Du hättest dem Ärmsten das Ganze wirklich erklären können», sagte ich zu Vater.
    «Deine Mutter kann man nicht erklären», gab er zurück. «Ich - ach verdammt noch mal.»
    «Was ist los?»
    «Mir fällt gerade ein, daß ich morgen nach London muß. Ich bin mit einem dieser blöden Zeitschriftenredakteure zum Lunch verabredet.»
    «Das macht doch nichts», sagte ich tapfer, obwohl mir gar nicht so zumute war. «Ich werde die Stellung schon halten.»
    «Das meinte ich nicht. Es ist wegen der höllischen Hitze. In der Stadt wird es unerträglich sein.»
    «Warum ist Mutter nach - nach Dingsda gefahren?» fragte Trubshaw. Die Mühle in seinem kleinen Kopf mahlte genauso langsam wie die des lieben Gottes, aber schließlich kam sie doch in Schwung.
    «Um etwas Abwechslung zu haben, Schatz», sagte Perse.
    «Im Sommer müßte London eigentlich evakuiert werden», meinte Vater. «Das wäre das einzig Vernünftige. Aber an Verstand fehlt’s da ja.»
    «Ich werde es schon schaffen», sagte ich. «Außerdem macht es Spaß, so Sachen im Kochbuch nachzuschlagen und alles einzukaufen und - die Stellung zu halten. Findest du nicht auch, Perse?»
    «Na klar.» Perses Augen glänzten. Merkwürdig - wenn man zwölf ist, ist einem jede Abwechslung willkommen.
    «Um sieben bin ich auch bestimmt zurück», sagte Vater. «Und was das Essen angeht, so braucht ihr wegen mir keine Umstände zu machen. Ein bißchen Salat oder so was genügt mir.»
    Um sieben! Zehn oder zwölf Stunden lang sollte ich in diesem großen, einsamen Haus mit den beiden Kleinen allein bleiben! Ich bin nicht besonders mutig; Verantwortung macht mir Angst.
    Ich war überzeugt, Vater brauchte nur den Rücken zu kehren, und Trubshaw würde die Treppe herunterfallen und sich ein Bein brechen, Perse würde mir erzählen, sie sei schwanger, und der Hausbock im Gebälk würde das Dach über uns zum Einsturz bringen.
     
    Der Hausbock gehörte nämlich untrennbar zu unserem Alltag, genau wie der Holzwurm und der Schimmelpilz.
    Unser Haus, das alte Pfarrhaus von Shepherd’s Delight, war ein Überbleibsel aus der Zeit der Zinkbadewanne und der Wäschemangel. Jeder Modernisierung trotzte es aufs feindseligste. Die Anfang der zwanziger Jahre gelegten elektrischen Leitungen waren längst verrottet, und an den überraschendsten Stellen der Wände konnte man sich einen Schlag holen. Wir waren froh, wenn das Licht überhaupt noch brannte. Gasgeruch durchzog wie ein ruheloser Geist das ganze Haus; nicht einmal die Leute vom Gaswerk wurden seiner Herr. Das Wasser in dem gigantischen, verrosteten Tank nahm keinerlei Notiz von dem elektrischen Gerät, das es aufheizen sollte. Das Badezimmer, riesig und ungemütlich wie ein Wartesaal, war mit einer überlebensgroßen, häßlich verfärbten Badewanne ausgerüstet, mit scheußlichen braunen Rinnspuren unter den Wasserhähnen. Wenig moderne Häuser können sich rühmen, ein Wohnzimmer von der Größe unserer Toilette zu besitzen. Die Zimmer waren hoch, kahl und kalt. Das Haus muß vor Urzeiten für eine Familie von drei Meter langen Riesen gebaut worden sein, und selbst Mütterchen Kirche hatte schließlich nichts mehr davon wissen wollen. Als der Immobilienmakler es endlich an meine Eltern loswurde, muß er dem Himmel auf Knien gedankt haben.
    Mutter hat immer den Eulen die Schuld an diesem Kauf zugeschrieben. Als nämlich der Makler ganz ohne Hintergedanken beiläufig erwähnte, daß sich Käuzchen im Garten aufhielten,
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