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Als Mutter streikte

Als Mutter streikte

Titel: Als Mutter streikte
Autoren: Eric Malpass
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enttäuschendes Echo auf allen Seiten. Und mir hatte die Karte so viel bedeutet. Aufgeregt sagte ich: «Hier ist auch noch ein Brief für Mutter.» Vielleicht machte das mehr Eindruck.
    «Müssen wir nachschicken», sagte Vater.
    «Aber auf der Karte steht keine Adresse.»
    «Ach was. Clementine Kemble, per Adresse Britisches Konsulat Kairo genügt», sagte Vater. «Mutter braucht nur zwei Tage irgendwo zu sein, schon trifft sie den britischen Konsul auf irgendeiner Party.»
    «Ich bin dafür, daß wir den Brief aufmachen», sagte Perse.
    «Kommt nicht in Frage. Ich habe die Briefe eurer Mutter nie geöffnet, als sie noch hier war, und werde das auch jetzt nicht tun.» Damit verschwand der Brief in seiner Brusttasche, und die Sache war für ihn erledigt.
    Für mich hätte sie damit auch erledigt sein können, aber die Sache beschäftigte mich doch noch. Der Poststempel war zwar verwischt, aber ich hatte das Wort «Berkshire» gerade noch entziffern können. Und mit Berkshire verband sich für mich irgendeine unangenehme Erinnerung, aber im Augenblick wollte mir um keinen Preis einfallen, was es damit auf sich hatte.
     
    Es war eine scheußliche Woche, voll von unklaren Ängsten und Kümmernissen: Mutter so weit weg, der ominöse Brief aus Berkshire, und vor allem die Tatsache, daß Mr. Chisholm Gloria um Mithilfe beim Sommerfest gebeten hatte. Ich wußte selbst nicht, warum mich das alles so quälte.
    Der einzige Lichtblick in dieser Woche kam am Mittwochmittag, als wir beim Essen saßen (Schinken mit Salat, oder, wie Trubshaw behauptete: Salat mit Schnecken. Fand sich in einem Riesenberg Salat eine einzige Schnecke, so geriet sie ganz bestimmt auf seinen Teller). Perse platzte plötzlich damit heraus: «Mutter hat mir eine Karte geschrieben.»
    «Wo hast du sie?» rief ich.
    «Oben in meinem Zimmer», sagte Perse.
    «Ja, und willst du sie uns denn gar nicht zeigen?»
    «Sie ist an mich gerichtet», sagte Perse.
    «Wo steckt sie denn jetzt?» fragte Vater.
    «In Istanbul.»
    «Was, noch nicht in Indien?»
    «Nun sag doch schon, wie geht es ihr?» schrie ich.
    «Davon schreibt sie nichts», sagte Perse. Ich gab es auf. Vielleicht hätte Vater noch etwas aus ihr herausbekommen, wenn ihm daran gelegen hätte, aber es lag ihm offenbar nichts daran.
    Dann aber, am Sonnabend, fegte das Sommerfest allen Kummer hinweg und versetzte mich in den siebenten Himmel.
    Dieser Nachmittag strahlt in meiner Erinnerung in den hellsten Farben. Die Zelte und Gartenschirme hoben sich weiß vom
    I Grün der Bäume und Rasenflächen ab, bunte Sommerkleider leuchteten, Kinder lachten, braungebrannte Gesichter lächelten freundlich, man hörte überall heiteres Geplauder, beim Sackhüpfen stand man Schlange, und Mr. Chisholm, in weißem Leinenanzug, kam über den Rasen auf mich zu und sagte: «Hallo, Viola. Sind Sie auch vergnügt?»
    Nun, in diesem Augenblick ganz bestimmt. Junge Frauen mit präraffaelitischen Bildern sehen nie ausgesprochen vergnügt aus; deshalb blickte ich ihn nur versonnen an und sagte: «Ja, danke, Mr. Chisholm, sehr.»
    «Hätten Sie Lust, mit mir eine Tasse Tee zu trinken?» fragte er.
    In diesem Augenblick verwandelte sich die Welt vor mir in ein Feuerwerk von tausend bunten Sternen. «O ja - sehr gern», brachte ich gerade noch heraus.
    Er nahm mich beim Arm und führte mich hinüber zum Teezelt.
    Nach dem hellen Sonnenschein draußen war es hier drinnen romantisch düster. Es roch köstlich nach sonnendurchglühtem Leinen und zertretenem Gras. Die meisten Tische waren noch unbesetzt, und außer Miss Buttle, die in jedem Jahr für das Teezelt zuständig war, und ihren Helferinnen war kaum jemand da.
    Ich versuchte, Miss Buttles Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, aber es war so, als wollte sie partout keine Notiz von uns nehmen. Statt dessen plauderte und scherzte sie angeregt mit ihren Helferinnen und kicherte laut wie ein Teenager. Dabei ist sie schon seit vielen Jahren aus diesem Alter heraus.
    «Erdbeeren mit Schlagsahne, Viola?» fragte er mich lächelnd.
    «Ja, gern, Mr. Chisholm», sagte ich, und ich war überzeugt, daß kein anderer Mann auf der Welt, nicht einmal Sir Laurence Olivier, diese Frage «Erdbeeren mit Schlagsahne, Viola?» so ausdrucksvoll und zärtlich hätte sagen können wie Mr. Chisholm an diesem Sonnabendnachmittag.
    «Ist das Sackhüpfen nicht ein großer Spaß?» sagte er dann. «Es war wirklich sehr freundlich von Miss Perkins, sich dafür zur Verfügung zu stellen.»
    «Das tut sie
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