Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als Mutter streikte

Als Mutter streikte

Titel: Als Mutter streikte
Autoren: Eric Malpass
Vom Netzwerk:
gern», sagte ich.
    Er sah mich lange prüfend an, aber ich hatte das Gefühl, als gelte sein Interesse gar nicht mir. Dann fragte er wie beiläufig: «Kennen Sie sie eigentlich schon lange?»
    «Nein», sagte ich. «Erst seit ein paar Wochen.»
    «Ach?» sagte er erstaunt. «Ich dachte, sie sei eine alte Freundin Ihrer Mutter. Wird sie denn länger bei uns in Shepherd’s Delight bleiben? Meinen Sie, sie hätte Lust, sich weiterhin an der Gemeindearbeit zu beteiligen?»
    «Doch, ja, das glaube ich wohl», sagte ich.
    «Sie hat doch keine anderen Verpflichtungen und ist doch wohl auch nicht verheiratet?»
    «Nein. Sie ist als Haushälterin bei uns», sagte ich.
    «Ach so -?» sagte er, und es klang sehr überrascht.
    «Wissen Sie, es ist richtig komisch. Persephone, meine jüngere Schwester, meint, sie sei Vaters Geliebte. Auf was für Gedanken solche Kinder doch manchmal verfallen.» Und ich erlaubte mir ein ganz unpräraffaelitisches Lachen.
    Diese Mitteilung schien ihn sehr zu irritieren. In diesem Augenblick trat Vater an unseren Tisch und setzte sich zu uns.
    «Gloria macht sich ja fabelhaft beim Sackhüpfen. Da sieht man wieder einmal, was ein paar hübsche Mädchenbeine für die Kirche bewirken können.»
    Mr. Chisholm hüstelte leicht verlegen und sagte: «Ich fürchte, allein mit hübschen Mädchenbeinen kommt die Kirche nicht voran, Mr. Kemble. »
    «Warum nicht, Chisholm? Warum nicht? Schließlich hat der Herrgott sie geschaffen.» Er strich sich dabei über den Schnurrbart. «Und verdammt gute Arbeit hat er dabei geleistet, muß man schon sagen.»
    Mein schönes Tête-à-tête mit Mr. Chisholm war zu Ende. Vater machte keinerlei Anstalten zu gehen, und jetzt erschien auch 1 noch Perse auf der Bildfläche, mit auffallenden Lidschatten und wie üblich mit Trubshaw im Gefolge. Ich hatte meine ganze Familie wieder auf dem Hals. Flehend sah ich zu Mr. Chisholm i hinüber, aber er blickte mich nicht an. Er stand gerade auf, weil der alte Doktor Rodgers an den Tisch getreten war und augenzwinkernd zu ihm sagte: «Ich wäre versucht gewesen, mich in die Schlange einzureihen, Chisholm.»
    «In was für eine Schlange denn?» fragte Clifton.
    «Na, bei der flotten Puppe da, beim Sackhüpfen natürlich.» Vater legte ein Bein über das andere und strich sich mit der Hand die Bügelfalte glatt. «Du sprichst von meiner Haushälterin, John», sagte er gelassen.
     

6
     
    An diesem Abend gab es Spaghetti auf Toast mit pochierten Eiern. Die Spaghetti hatte ich zubereitet, Gloria den Toast geröstet und Vater die Eier pochiert.
    Es war ein warmer, stiller Abend, nur die Spatzen lärmten im Garten, ab und zu drang von den Krickettspielern unweit unseres Hauses ein Ruf herüber, oder man hörte, wie draußen ein Auto vorbeirauschte.
    Aber ein Wagen hatte es weniger eilig. Langsam bog er in unsere Einfahrt ein und hielt vor unserer Tür.
    Vater ließ die Gabel sinken und horchte auf. Ich ebenfalls. Gloria, Perse und Trubshaw aßen, so als ginge sie das nicht das geringste an, weiter.
    Die Wagentüren öffneten sich, und heraus zwängten sich zwei Gestalten in braunem Tweed. Sie öffneten den Kofferraum und förderten mehrere Gepäckstücke zutage. Und dann, nach einem schnellen mißbilligenden Blick auf unseren Garten, kamen sie auf die offene Glastür zu, die direkt ins Eßzimmer führte.
    Vater hatte sich erhoben. «Gott steh uns bei», flüsterte er, wobei er - ich könnte es beschwören - sich bekreuzigte. «Die schrecklichen Harbingers!»
    «Von denen muß der Brief für Mutter gewesen sein!» rief ich entsetzt. «O Gott - die bleiben bestimmt wieder acht Tage.»
    Zu unserem Jahresablauf gehörten ein paar unvermeidliche Katastrophen: geplatzte Wasserrohre im Winter, Motten im Frühjahr, vom Sturm heruntergewehte Dachziegel im Herbst.
    Aber - der Sommerschrecken waren jedes Jahr Onkel Walter und Tante Clarissa.
    Es waren Verwandte von Mutter, und sie waren fehlerlos und unfehlbar. Sie hatten die richtigen politischen Ansichten, trugen immer die richtige Kleidung, wohnten im richtigen Haus in der richtigen Umgebung und sagten die richtigen Worte mit dem richtigen Akzent. Aus all ihren Kindern war etwas Rechtes geworden. Guy war Direktor einer kleinen, aber sehr vornehmen Privatschule, Roger war Arzt, und Cicely hatte einen Börsenmakler geheiratet und besaß ein schönes Haus, zwei Wagen und drei hübsche Kinder.
    Vater hatte für die Harbingers nur ein einziges Wort: Spießer.
    Er stand jetzt ganz still und blickte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher