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Als Mutter streikte

Als Mutter streikte

Titel: Als Mutter streikte
Autoren: Eric Malpass
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wie hypnotisiert auf die Tür, ebenso wie ich. Großtante Clarissa stolzierte herein. «Hallo, Harry», sagte sie und umfaßte den Raum mit einem einzigen Blick. «Ach du liebe Zeit, stören wir euch etwa beim Dinner?»
    «Wir sind so gut wie fertig», log Vater. «Das ist Gloria Perkins, eine alte Freundin von Clementine, Gloria, das ist Tante Clarissa - Mrs. Harbinger.»
    «Hallo, Harry», sagte Onkel Walter. «Deine Himbeerhecke muß aber mal ausgeschnitten werden - sieht ja wüst aus», sagte er vorwurfsvoll.
    Seit mindestens zehn Jahren war das stets Onkel Walters erste Bemerkung, wenn er ins Haus trat. «Seid ihr auf der Durchreise?» fragte Vater hoffnungsvoll.
    «Hat denn Clementine meinen Brief nicht bekommen?» fragte Tante Clarissa und sah sich erstaunt um. «Wo ist sie denn überhaupt?»
    «Das letzte, was wir von ihr gehört haben, war, daß sie ein Kamel bestiegen hat», sagte Vater.
    «Es war ein Dromedar», sagte Trubshaw. «Das sieht man doch an den Höckern.»
    «Ja, hat sie denn eine Orientreise unternommen?»
    «Sie hat anscheinend in der die Anzeige eines Scheichs gelesen, der in seinem Harem eine Vakanz hat.»
    Allgemeines Schweigen. Dann sagte Onkel Walter: «Ich muß schon sagen, du hast einen merkwürdigen Humor. So redet man doch nicht über seine eigene Frau. Das ist einfach schlechter Stil.»
    «Schlechter Stil ist es auch, wenn man einfach abhaut und seinen Mann und drei Kinder im Stich läßt», sagte Vater, blaß vor Zorn. Ich hatte Vater eigentlich noch nie richtig wütend gesehen. Aber die Harbingers brachten ihn immer zur Weißglut, und er war wohl auch der Meinung, daß er, wenn er schon Mutter entbehren mußte, auch auf ihre verdammten Verwandten verzichten konnte.
    Tante Clarissa ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. Sie krallte ihre Finger in die Armlehnen. «Also, Harry, nun red mal vernünftig. Willst du behaupten, daß Clementine dich verlassen hat?»
    «Ja, das behaupte ich.»
    «Allmächtiger», japste Onkel Walter.
    «Das war sehr unrecht von ihr - sehr unrecht. Wenn ich auch nicht bezweifle, daß du ihr allen Grund dazu gegeben hast, Harry.»
    «Das möchte ich nun wieder bezweifeln», sagte Vater gelassen.
    «Immerhin - Clementine ist meine Nichte, und deshalb fühle ich mich mitverantwortlich.»
    Bisher hatten sie noch kein Wort davon verlauten lassen, wie lange sie bleiben wollten, aber mit einer Woche mußte man mindestens rechnen. Und so sagte ich denn: «Es tut mir leid, Tante Clarissa, aber ihr müßt mit dem Hausbockzimmer vorlieb nehmen. Im Schimmelzimmer wohnt Gloria.»
    Sie blickte mich an, als sähe sie mich zum erstenmal, und sagte dann erstaunlich freundlich: «Nein, nein, das kommt gar nicht in Frage, mein Kind. Onkel und ich übernachten in Buxton, und morgen früh kommen wir dann her und holen Persephone und Nicholas Anthony ab. Wir nehmen die beiden für ein bis zwei Wochen mit nach Berkshire.»
    «Persephone, Nicholas: wollt ihr denn mit Tante Clarissa nach Berkshire fahren?» fragte Vater, auf ein Nein hoffend.
    «O ja, gern», sagte Perse.
    «O ja, gern», echote Trubshaw, der es zur Zeit mit Perse hielt. Vater sah gekränkt aus. Er ahnte nicht, daß Perse nur deshalb mitfahren wollte, weil Harold Wilson in Berkshire gerade einen Parteikongreß abhielt.
    «Gut. Dann ist das also geregelt. Es wird den Kindern guttun», sagte Tante Clarissa munter.
    «Den Kindern fehlt es hier an nichts», sagte Vater verärgert.
    Tante Clarissa lehnte sich in den Sessel zurück und sah Vater durchdringend an. «Nun erlaube mir mal ein offenes Wort, Harry. Ich glaube nicht, daß das hier ganz das Richtige für deine Kinder ist.» Ihre Augen wanderten über den Tisch mit den abgegessenen Spaghettitellern zu Gloria Perkins, weiter zu dem Bild der , dann zurück zu Gloria Perkins, dann hinaus in den verwahrlosten Garten, dann richtete sie den Blick zur Decke, zu der Stelle, wo der Kronleuchter herausgebrochen war und Vater das Loch mit Pflasterstreifen verklebt hatte, und schließlich richtete sie ihn wieder auf Gloria Perkins und fragte: «Haben Sie vor, länger zu bleiben, meine Liebe?»
    «Das ist noch nicht entschieden», sagte Gloria.
    «Sie ist doch Vaters Mätresse», sagte Perse mit kindlichem Stolz.
    Lastendes Schweigen. Dann sagte Tante Clarissa mit spitzem Mund: «Das dürfte genügen, denke ich.»
    «Persephone, du gehst sofort in dein Zimmer», schrie Vater.
    «Also, Harry, ich muß schon sagen...»
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