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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition)
Autoren: William Faulkner
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haben sie hier einen», sagt Pa.
    «Willst du, dass Jewel geht», sagt Darl, «oder lieber ich?»
    «Besser, ich geh», sagt Pa. Er stieg herunter, ging den Plattenweg entlang und ums Haus herum nach hinten. Die Musik hörte auf, dann setzte sie wieder ein.
    «Er bekommt ihn tatsächlich», sagte Darl.
    «Ja», sagte ich. Es war, als ob er’s wüsste, als ob er durch die Mauern in die nächsten zehn Minuten sehn könnte.
    Nur dass es mehr als zehn Minuten waren. Die Musik verstummte und fing eine ganze Weile nicht wieder an, während Pa und sie hinter dem Haus miteinander redeten. Wir warteten auf dem Wagen.
    «Ich bring dich jetzt zu Peabody», sagte Darl.
    «Nein», sagte ich. «Wir begraben sie erst.»
    «Falls er je zurückkommt», sagte Jewel. Er begann zu fluchen und kletterte vom Wagen. «Ich geh jetzt», sagte er.
    Dann sahen wir Pa ums Haus kommen. Er hatte zwei Spaten. Er legte sie in den Wagen, stieg auf, und wir fuhren weiter. Die Musik setzte nicht wieder ein. Pa sah zum Haus zurück. Er hob ganz leicht die Hand, und ich sah, wie die Sonnengardine ein Stück zurückgeschoben wurde und im Fenster ihr Gesicht erschien.
    Das Merkwürdigste aber war Dewey Dell. Es hat mich sprachlos gemacht. Ich hab immer gewusst, warum die Leute sagten, er ist nicht ganz richtig, aber gerade darum konnte niemand es persönlich nehmen. Es war, als ob er ebenso wenig damit zu tun hätte wie man selber, und es übelzunehmen, wär ungefähr so, als ob man einer Pfütze übelnimmt, dass sie einen vollgespritzt hat, weil man reingetreten ist. Und dann hatte ich immer so eine Ahnung, dass zwischen ihm und Dewey Dell etwas ist, das nur sie wussten. Hätt ich sagen müssen, einer von uns beiden ist ihr lieber als der andere, dann hätt ich gesagt: Darl. Aber als wir die Grube aufgefüllt und zugedeckt hatten und zum Friedhofstor rausfuhren und in die kleine Straße einbogen, wo die Kerle warteten, und als sie aus ihrer Deckung vortraten und auf ihn zugingen und er zurückwich, da war es Dewey Dell, die sich an ihm festklammerte, noch bevor Jewel ihn packen konnte. Und da glaubte ich zu wissen, woher Gillespie wusste, wie seine Scheune in Brand geraten ist.
    Sie hatte kein Wort gesagt, hatte ihn nicht einmal angesehn, aber als diese Kerle ihm erklärten, was sie wollten, und dass sie gekommen sind, ihn zu holen, und er ihnen rückwärts ausweichen wollte, da sprang sie ihn an wie eine Wildkatze, sodass einer der Kerle sie festhalten musste, und sie biss und kratzte ihn wie eine Wildkatze, und der andere und Pa und Jewel warfen Darl zu Boden, auf den Rücken, und hielten ihn in Schach. Er sah zu mir herauf.
    «Ich hab geglaubt, du würdest es mir vorher sagen», sagte er. «Ich hätte nie gedacht, dass du das nicht tust.»
    «Darl», sagte ich. Aber er kämpfte wieder, er, Jewel und der eine Kerl, und der andere hielt Dewey Dell fest, und Vardaman schrie, und Jewel sagte: «Bringt ihn um. Bringt den Hund um.»
    Es war schlimm so. Es war schlimm. Man kann von einer dreckigen Arbeit nicht davonlaufen. Man darf’s nicht. Ich versuchte, es ihm zu erklären, aber er sagt nur: «Ich dachte, du würdest es mir vorher sagen. Nicht, dass ich», sagte er, und dann fing er an zu lachen. Der andere Kerl zog Jewel von ihm weg, und er saß da auf der Erde und lachte.
    Ich versuchte, es ihm zu erklären. Wenn ich mich nur hätte bewegen oder auch nur aufsetzen können. Aber ich versuchte, es ihm zu erklären, und er hörte auf zu lachen und sah zu mir hinauf.
    «Willst du, dass ich gehe?», sagte er.
    «Es ist besser für dich», sagte ich. «Da unten ist es ruhig, kein Ärger, keine Quälerei mehr. Es ist besser für dich, Darl», sagte ich.
    «Besser», sagte er. Er fing wieder an zu lachen. «Besser», sagte er. Er konnte es kaum aussprechen vor Lachen. Er saß auf der Erde, und wir sahen ihn an, und er lachte und lachte. Es war schlimm. Es war so schlimm. Ich will verdammt sein, wenn ich irgendwas sehn konnte, das zum Lachen war. Es gibt einfach nichts, das die vorsätzliche Zerstörung dessen rechtfertigt, was einer sich im Schweiß seines Angesichts aufgebaut hat und worin er die Früchte seiner Arbeit verwahrt.
    Aber ich bin nicht so sicher, ob jemals einer das Recht hat zu sagen, was verrückt ist und was nicht. Es ist, als wär in jedem Menschen noch ein Anderer, der jenseits von Normalität und Verrücktheit steht und der die normalen und die verrückten Handlungen dieses Menschen mit dem gleichen Entsetzen und dem gleichen Staunen
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