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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition)
Autoren: William Faulkner
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lassen.»
    «Warum hast du’s nicht getan?», sag ich. «Du hättest telephonieren können.»
    «Ach was, zum Teufel», sagt Jewel, «kann doch wohl jeder, ’n Loch in die Erde graben.»
    Ein Auto kommt über die Anhöhe. Es hupt ein paar Mal und nimmt Gas weg. Es fährt in niedrigem Gang am Straßenrand entlang, mit den äußeren Rädern im Graben, fährt an uns vorbei und weiter. Vardaman sieht ihm nach, bis es außer Sicht ist.
    «Wie weit ist es jetzt noch, Darl?», fragt er.
    «Nicht mehr weit», sag ich.
    «Wir hätten es tun sollen», sagt Pa. «Ich wollte bloß von niemandem gesehn werden, außer von ihrem Fleisch und Blut.»
    «Ach zum Teufel, jeder kann so ’n dämliches Loch graben», sagt Jewel.
    «Es ist respektlos, so von ihrem Grab zu sprechen», sagt Pa. «Ihr wisst alle nicht, was das bedeutet. Ihr habt sie nie wirklich geliebt, keiner von euch.» Jewel antwortet nicht. Er sitzt ein wenig steif, den Rücken vom Hemd weggekrümmt. Sein lebhaft rotes Kinn springt vor.
    Dewey Dell kommt zurück. Wir sehen sie aus dem Dickicht treten, das Paket in der Hand, und auf den Wagen steigen. Sie trägt jetzt ihre Sonntagssachen, ihre Perlenkette, ihre Schuhe und Strümpfe.
    «Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst die Sachen zu Hause lassen», sagt Pa. Sie antwortet nicht, sieht uns nicht an. Sie stellt das Paket in den Wagen und steigt ein. Der Wagen fährt weiter.
    «Wie viele Hügel kommen jetzt noch, Darl?», fragt Vardaman.
    «Nur noch einer», sage ich. «Der nächste führt direkt in die Stadt rauf.»
    Dieser Hügel hat roten Sand, und auf beiden Seiten stehen Negerhütten; oben vor dem Himmel laufen dichtgedrängt Telefondrähte hin, und die Uhr am Verwaltungsgebäude wird zwischen den Bäumen sichtbar. Die Räder flüstern im Sand, als wollte selbst die Erde unsere Ankunft verheimlichen. Als die Steigung beginnt, klettern wir aus dem Wagen.
    Wir gehen hinter ihm her, hinter den flüsternden Rädern, vorbei an den Hütten, an deren Türen plötzlich Gesichter auftauchen, weißäugige. Wir hören auf einmal Stimmen, laut ausgestoßene Rufe. Jewel hat von einer Seite zur andern gesehn; jetzt ist sein Gesicht nach vorn gewandt, und ich sehe, dass seine Ohren einen noch dunkleren Rotton annehmen, ein glühendes Wutrot. Drei Neger gehen vor uns am Straßenrand, zehn Fuß vor ihnen ein Weißer. Als wir an den Negern vorbeikommen, drehen sie vor Schreck und mit einem Ausdruck unwillkürlicher Empörung abrupt die Köpfe zur Seite. «Großer Gott», sagt der eine, «was haben die in ihrem Wagen?»
    Jewel wirbelt herum. «Dreckskerle», sagt er. Als er das sagt, ist er auf gleicher Höhe mit dem Weißen, der stehn geblieben ist. Es ist, als ob Jewel für einen Moment blind geworden wär, denn es ist der Weiße, auf den er sich stürzen will.
    «Darl!», ruft Cash auf dem Wagen. Ich versuche, Jewel zu packen. Der Weiße weicht einen Schritt zurück, steht mit offenem Mund da, dann klappt er ihn zu, man hört seine Kiefer knacken. Jewel geht auf ihn zu, seine Backenmuskeln werden weiß.
    «Was hast du gesagt?», sagt er.
    «He!», sag ich. «Er meint Sie nicht, Mister. Jewel», sag ich. In dem Augenblick, als ich ihn anfasse, holt er gegen den Mann aus. Ich packe ihn am Arm; wir kämpfen miteinander. Jewel hat mich kein Mal angesehn. Er versucht, seinen Arm freizubekommen. Als ich wieder zu dem Mann hinsehe, hat er ein offenes Messer in der Hand.
    «Lassen Sie das, Mister», sag ich. «Ich hab ihn. Jewel!»
    «Denkt, weil er ein verdammter Stadtpinkel ist», keucht Jewel und will sich von mir losreißen. «Scheißkerl», sagt er.
    Der Mann bewegt sich. Er will sich um mich herumdrücken und hat Jewel im Auge, das Messer hält er unten an der Seite. «Keiner darf so was zu mir sagen», sagt er. Pa ist abgestiegen, und Dewey Dell hält Jewel fest und knufft ihn. Ich lasse ihn los und wende mich dem Mann zu.
    «Warten Sie», sag ich, «er hat nicht gemeint, was er gesagt hat. Es geht ihm schlecht. Er hat sich letzte Nacht bei einem großen Feuer verbrannt und ist nicht ganz bei sich.»
    «Feuer oder nicht», sagt der Mann, «keiner darf so was zu mir sagen.»
    «Er hat gedacht, Sie hätten was zu ihm gesagt», sage ich.
    «Ich hab nichts zu ihm gesagt, nie. Ich hab ihn noch nie gesehn.»
    «Bei Gott», sagt Pa. «Bei Gott.»
    «Ich weiß», sag ich. «Er hat’s ja auch nie so gemeint. Er nimmt es zurück.»
    «Dann soll er’s zurücknehmen, gleich.»
    «Stecken Sie Ihr Messer weg, dann tut er’s.»
    Der
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