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Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Titel: Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Autoren: Jost Kaiser
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und ist Kanzlerkandidat der Unionsparteien. Aber zum Glück hat Schmidt das einzige Gegenmittel gleich dabei: sich selbst.
    Bei einer Veranstaltung im Freilichttheater in Bad Segeberg, der Heimat der Karl-May-Festspiele, hat Schmidt eine Rede mit Zitaten des Winnetou-Erfinders angereichert. Das kommt gut an. Seitdem zieht Schmidt – der das Publikum sonst schon mal mit seinen Lieblingsphilosophen Karl Popper und Immanuel Kant belehrt – mit dem großen Abenteuerromancier in seinen Wahlkampfreden durch die Lande.
    Schmidt versucht, den Einmarsch der Russen in Afghanistan und der islamischen Revolution im Iran (beides ein Jahr her) mit der Figur Marah Durimeh aus dem May-Spätwerk Durchs wilde Kurdistan beizukommen. Der kleine Mann auf der Straße hört aus den Lautsprechern der SPD-Kundgebungen Großes von einer großen Weisen: »Da gibt es eine Frau«, erzählt Schmidt, »die wird vom Volk für heilig gehalten. Marah Durimeh heißt die. Und die hat etwas Wichtiges gesagt, bei Karl May in diesem Buch. Und das will ich mal vorlesen: ›Ihr Toren, die ihr den Hass liebt und die Liebe hasst. Soll sich das Wasser immer wieder röten von Blut? Und soll das Land vom Schein der Flammen sich röten? Könnt ihr nicht in Frieden leben? Niemand kann den Gott des anderen töten und niemand seinen Glauben.‹«
    Von Marah Durimeh ist es nach Meinung des Kanzlers nicht weit zum Ayatollah und den Russen.
    »Hier sind wir mitten in den Sorgen, die wir Deutschen und viele andere mit uns in Europa und die viele Völker in der Welt gegenwärtig haben. Die Sorgen gehen aus von Teheran, sie gehen aus von Afghanistan. Und von all diesen Besorgnissen möchte ich heute etwas sagen dürfen.«
    Eine Botschaft hat der Kanzler in seinen Reden immer im Gepäck: Zur Behebung der Sorgen, die von Teheran und Afghanistan ausgehen, ist einer komplett der Falsche – Franz Josef Strau ß . Der watet zwar nicht im Blut, dafür wird er von Schmidt aber gern als Amokläufer und »Mann des Unfriedens« hingestellt: »Dieser Mann hat keine Kontrolle über sich – und deshalb darf er keine Kontrolle über den Staat bekommen.«
    Das sieht nicht jeder so. Jedenfalls nicht in Bad Segeberg: FJS ist hier im Jahr zuvor im Freilichttheater zum Ehrenhäuptling »Schneller Pfeil« ernannt worden und lief mit Indianer-Kopfschmuck durch die Arena.
    Die Karl-May-Schlacht gewinnt am Ende trotzdem Schmidt: Die SPD fährt 42,9 Prozent ein. Schmidt bleibt Kanzler. Und Strauß Häuptling von Bayern und Bad Segeberg.

Als Helmut Schmidt einmal …
    … 1259 Seiten SPD-Programm in drei Sätzen zusammenfasste
    Der Papst glaubt an das Wort Gottes. Verdinglicht in der heiligen römischen Kirche. Sozialdemokraten glauben an das Wort des Parteitages. Verdinglicht in den dicken Beschlusspapieren eines SPD-Konvents. Nichts auf der Welt ist für einen echten Sozialdemokraten existent, wenn es nicht hinterm Spiegelstrich im SPD-Programm oder in sogenannten Grundsätzen, Orientierungsrahmen oder dem Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der SPD (wie dem von 1970 in Saarbrücken) auftaucht – das ist 1259 Seiten dick. Umgekehrt harrt die Welt zwar der kommenden Veränderungen. Aber die können sich nicht Bahn brechen, wenn ein SPD-Parteitag sie nicht beschlossen hat. Glaubt die SPD.
    Um die Welt auf SPD-Niveau zu bringen, braucht die Sozialdemokratie meist Hunderte von Seiten. Und seit neomarxistische Studenten die Partei gestürmt haben, noch ein paar Seiten mehr. Die wollen nicht nur die Partei verändern, sondern gleich die ganze Welt.
    Helmut Schmidt interessiert sich nicht für die geliebte und gefürchtete sogenannte Seele der Partei. Aber wie das mit der Weltverbesserung geht, weiß er. Und um es zu erklären, braucht er 1969 – anders als die linken Weltveränderer – nur drei Sätze und fünfundvierzig Sekunden: »Etwas lernen, etwas leisten, anständig und ehrlich seine Steuern bezahlen, ordentlich was auf die hohe Kante legen – und im ü brigen das alles nicht übertreiben, damit man auch genug Zeit und Muße hat, sich der weiß Gott angenehmen Seiten des Lebens zu erfreuen. Wenn das jedermann täte – wobei ich noch hinzufügen würde: außerdem SPD wählen und die Gewerkschaft stützen –, dann wäre die Gesellschaft besser dran.«

Als Helmut Schmidt einmal …
    … auf der Orgel Gershwin spielte und tatsächlich einen Fehler machte
    Die Sendung Drei mal Neun ist eigentlich nicht Helmut Schmidts Terrain: Wim Thoelke präsentiert ab 1970 die neunzigminütige
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