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Als die Tiere den Wald verließen

Als die Tiere den Wald verließen

Titel: Als die Tiere den Wald verließen
Autoren: Colin Dann
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ein Mensch kommt und eine Tür aufmacht, so kommen wir vielleicht nicht schnell genug hinaus, bevor sie wieder zugemacht wird. Auf jeden Fall wird derjenige sie wohl kaum aufhalten, bis wir alle hinausmarschiert sind.«
Der Fuchs dachte nach und fragte dann die Füchsin, wie er dies in letzter Zeit immer häufiger tat. »Es ist sicherer, im Moment hierzubleiben«, antwortete sie ihm leise.
Der Fuchs wandte sich zu seinen Freunden um und musterte jeden einzelnen. »Will es irgend jemand lieber jetzt versuchen?« fragte er.
Keiner antwortete, aber man hörte Füße schlurfen, und ein oder zwei der Tiere husteten. »Die Füchsin und ich sind bereit, jeden von euch, der es lieber jetzt wagen will, zu begleiten«, sagte der Fuchs. »Später gibt es vermutlich eine bessere Gelegenheit«, sagte der Dachs mit seiner beschwichtigenden Stimme. »Ich glaube, es wäre ziemlich unvernünftig, es jetzt zu probieren.«
Ein allgemeines Gemurmel schien zu bedeuten, daß man mit dem Dachs einer Meinung war. »Dann ist es also beschlossen!« sagte der Fuchs. »Wir warten.«
Der Lärm ging unvermindert weiter, und die Tiere blieben in ihrem Versteck und hörten mit sinkendem Mut dem unaufhörlichen Hämmern und dem Geschrei der Männer zu. Außerdem fragten sie sich, was wohl der Turmfalke machte. Nach einigen Stunden hörte der Lärm auf. Der Fuchs schaute seine Freunde bedeutungsvoll an, als wolle er ihnen sagen, sie sollten sich bereitmachen.
Sie warteten darauf, daß die Stimmen der Arbeiter, die sich offensichtlich zum Weggehen fertigmachten, abbrachen. Das Licht, das durch die bunten Scheiben hereinfiel, war nach und nach um das Gebäude gewandert. Ein breiter Sonnenstrahl, der Tausende von tanzenden Stäubchen schimmern ließ, fiel jetzt schräg auf die Orgelpfeifen, vor denen die Tiere fluchtbereit kauerten. Die rauhen Stimmen verhallten, und es sah so aus, als könnten die Tiere gleich aufbrechen, als plötzlich etwas vor ihnen landete. Der Turmfalke war zurückgekehrt. »Es hat keinen Zweck«, sagte er sofort. »Bleibt, wo ihr seid. Ein Haufen Leute ist auf dem Weg hierher, und zwei davon sind gerade dabei, das Hauptportal zu öffnen.«
Genau in diesem Moment hörten sie, wie eine Türklinke heruntergedrückt wurde. Dann knarrten Türangeln. Instinktiv preßten sich alle Tiere fester an den Boden. Unbekannte, leisere Stimmen waren zu hören.
    »Was ist mit der Mauer?« flüsterte der Fuchs. »Wir könnten doch bestimmt immer noch losrennen, bevor jemand hier ankommt!«
    »Nein, es ist hoffnungslos.« Der Turmfalke schüttelte den Kopf. »Sie haben den unteren Teil der Öffnung völlig zugemauert. Es ist nur noch eine kleine Lücke da, und die ist etwa einen Meter über dem Fußboden.« »O nein!« stöhnte der Fuchs. »Wir sitzen fest!« »Aber hier können wir nicht bleiben!« protestierte der Oberste Igel aufgeregt. »Jetzt ist es nicht mehr dunkel. Man wird uns in kürzester Zeit entdecken!« »Im Gegenteil«, sagte der Fuchs. »Wir sind hier so sicher, wie es unter diesen Umständen möglich ist. Wir sind nach allen Seiten ganz gut abgeschirmt, und hier an dieser Stelle gibt es keinen Platz für einen Menschen. Und vergeßt nicht - sie wissen nicht, daß wir da sind. Sie werden nicht nach uns suchen.« »Es tut mir leid, daß ich nicht mit dir gekommen bin, Turmfalke«, sagte der Pfeifer, der immer fest schlief und der nicht so früh aufgewacht war wie der Falke. »Du hättest nicht zurückkommen brauchen«, meinte der Fuchs. »Jetzt sitzt du mit uns zusammen fest.« »Der
    Turmfalke ist ein guter Freund«, sagte der Maulwurf. »Nun, ich wollte verhindern, daß ihr euer Versteck verlaßt«,
sagte der Falke und lächelte geschmeichelt. »Ich dachte, ich
käme vielleicht schon zu spät, um euch aufzuhalten.« Stimmen drangen durch die offene Tür, und auf dem
Steinfußboden hallten Schritte. Stühle scharrten, und jemand
kam immer näher und blieb auf der anderen Seite der Orgel,
hinter der die Tiere sich versteckt hielten, stehen. Papier
raschelte, und man konnte hören, wie sich jemand hinsetzte.
Einer der Menschen war sehr nah.
»Ausgerechnet jetzt, wo wir schon fast daheim sind«,
brummte die Kröte. Das Wort »daheim«, das sie unwillkürlich
für etwas benutzt hatte, das keiner ihrer Freunde außer dem
Turmfalken kannte, belebte die Tiere. Es erinnerte sie mit einer
eigentümlichen Kraft daran, daß ihre lange Reise bald vorüber
sein würde und daß ihr Leben schon in ein paar Stunden nicht
mehr davon bestimmt wurde,
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