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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann
Autoren: L Murray
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sich.«
    Bei alldem verloren sie fast das Sorgerecht für Lisa, aber Ma hielt die strenge Anwesenheitspflicht in einem Programm für Elternerziehung durch, das zwischen ihrer Verhaftung und ihrer möglichen Verurteilung stattfand. Diese Tatsache, in Kombination mit einem hochschwangeren Bauch am Tag ihrer Verhandlung vor Gericht, sorgte für ein gerade ausreichendes Maß an Milde, damit sie freigesprochen wurde.
    Daddy hatte weniger Glück. Er wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und am Tag von Ronald Reagans Wahl zum Präsidenten in das Passaic County Jail in Paterson, New Jersey, verlegt.
    Am Tag ihrer Verhandlung trug Ma zwei Stangen Zigaretten und eine Rolle Vierteldollarmünzen bei sich, weil sie sich ihrer Verurteilung so sicher war. Aber im Moment der Entscheidung – die jeden in diesem Gericht überraschte, sogar Mas eigenen Anwalt – bedachte der Richter sie mit einem mitleidsvollen Blick, um dann eine Bewährungsstrafe zu verkünden und den nächsten Fall aufzurufen.
    Die Kaution, eintausend Dollar – der allerletzte Rest der Einkünfte meiner Eltern aus ihren Glanzzeiten –, wurde ihr als Scheck auf dem Weg nach draußen überreicht.
    Mit diesem Scheck in der Hand sah Ma die Chance eines Neustarts vor sich und nutzte sie. Die Kaution ging für Eimer mit frischer Farbe, dichte Vorhänge und einheitlichen Teppichboden in unserer Dreizimmerwohnung in der Bronx auf der University Avenue drauf, einer Gegend, die bald zu einer der kriminellsten von ganz New York City werden sollte.
    Ich wurde zum Herbstbeginn geboren, am Ende einer langen Hitzewelle, die die Kinder in der Nachbarschaft dazu bewegt hatte, die Hydranten aufzubrechen, und Ma dazu brachte, sirrende Ventilatoren in jedes Fenster zu stellen. Am Nachmittag des 23. Septembers 1980 erhielt Daddy – in Haft und Erwartung seiner Verurteilung – einen Anruf von Charlotte, der Mutter meiner Mutter. Sie
teilte ihm mit, dass seine Tochter mit Drogen im Körper, aber ohne Geburtsschäden zur Welt gekommen sei. Ma hatte während keiner ihrer Schwangerschaften aufgepasst, aber sowohl Lisa als auch ich hatten Glück. Ich pinkelte die Krankenschwester von oben bis unten an und wurde mit einem Gewicht von 4337 Gramm für gesund erklärt.
    »Sie sieht aus wie du, Peter. Genau dein Gesicht.«
    Später in seiner Zelle wählte Daddy den Namen Elizabeth für mich aus. Weil Daddy und Ma nie offiziell verheiratet waren und Daddy nicht da war, um die Vaterschaft anzuerkennen, erhielt ich Mas Nachnamen, Murray.
    Zu Hause erwartete mich eine neue Wiege in meinem frisch gestalteten Kinderzimmer. Ma kam nie über den Gesichtsausdruck ihrer Bewährungshelferin hinweg, die zu einem Kontrollbesuch vorbeikam. Lisa und ich trugen brandneue Kleidchen, die Wohnung war blitzsauber und der Kühlschrank vollgestopft mit Lebensmitteln. Ma strahlte vor Stolz und erhielt eine glänzende Beurteilung. Sie erhielt von da an regelmäßige Zahlungen vom Sozialamt, um uns zu versorgen, und so legten wir ganz von vorn los, als Familie.
    Die nächsten paar Jahre verliefen geregelt zwischen Mas Besuchen bei Daddy und ihren Anstrengungen, sich Unterstützung in ihrer Rolle als frisch besonnene alleinerziehende Mutter zu verschaffen. Ab und zu, am Seiteneingang der Tolentine Church, verteilte eine Nonne an Ma umsonst Scheibenkäse und riesige Tuben salzfreier Erdnussbutter, dazu ungeschnittene Brotlaibe in langen braunen Papiertüten. Die Arme voller Lebensmittel, blieb Ma still vor der Schwester stehen, während sie uns drei mit dem Kreuzzeichen segnete. Erst danach war es uns gestattet zu gehen, und Lisa half dann, meinen Kinderwagen zu schieben.
    Aus diesen Vorräten, zusammen mit Rosinentüten und Weizenmehl, bestanden unsere Frühstücke und Snacks. Im Met-Food-Supermarkt gab es Hotdogs aus Schweinefleisch zu neunundneunzig Cents die Achterpackung. Zum Abendessen gab’s diese in
dicke Scheiben geschnittenen Billig-Frankfurter mit schaufelweise Makkaroni und Käse.
    Was die Kleidung betraf, half uns Daddys Mutter, obwohl wir sie nie kennengelernt hatten. Zu den Feiertagen schickte sie uns Pakete von einem Ort aus, der Long Island hieß und wo laut Daddy die Straßen gesäumt waren von wunderschönen Häusern. Die Kartons stammten aus Großeinkäufen von Papierhandtüchern oder Wasserflaschen, aber innen drinnen enthielten sie wahre Schätze. Unter mehreren Schichten Zeitungspapier fanden wir farbenfrohe Kleidungsstücke, kleine Küchenutensilien und frisch gebackene, süß duftende
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