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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann
Autoren: L Murray
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wissen musst, Lizzy, ist, dass er ein gemeiner, gewalttätiger Trunkenbold war, der andere gern herumschubste«, erzählte Daddy mir mal, »und deine Großmutter ließ sich das nicht gefallen. Ihr war es völlig egal, wie unangebracht Scheidungen damals waren, sie setzte ihre eigene durch.« Zu Daddys Leidwesen verließ ihn sein Vater, als die Ehe seiner Eltern beendet war, und kam niemals wieder zurück.
    »Er war ganz schön schwierig, Lizzy. Wahrscheinlich war es besser, dass er nicht mehr da war, wir hatten es nicht leicht, und er hätte alles noch viel schwieriger gemacht.«
    Die Leute, die Daddy als Heranwachsenden gekannt haben, beschreiben ihn als einsames Kind und »verletzte Seele«; er sei niemals über das Im-Stich-Lassen des Vaters und seinen daraus resultierenden Status als »Schlüsselkind« hinweggekommen. Seine Mutter nahm einen anstrengenden Job an, um über die Runden zu kommen, und sie arbeitete viel und lange, sodass Daddy über Stunden mehr oder weniger allein war und in der Zeit nach Ablenkung suchte, nach irgendjemandem oder irgendetwas Ausschau hielt, dem er sich zugehörig fühlte. Abends war er allein oder bei Freunden, wo er zu einem festen Bestandteil ihrer Familien
wurde. Bei sich zu Hause lebten er und Grandma sich immer weiter auseinander, und ihr Umgang miteinander war ernst und ohne viele Worte.
    »Deine Großmutter war nicht besonders redselig«, sagte er mir eines Tages, »das war das Irisch-Katholische an ihr. Wenn du in unserer Familie einen Satz mit ›Ich bin‹ oder ›Mir ist‹ begonnen hast, kam danach besser gleich ›hungrig‹ oder ›kalt‹. Denn man redete nicht über sich, so war’s einfach.«
    Alles, was Grandma an Warmherzigkeit fehlte, machte sie durch ihre unermüdliche Aufopferung wett, die Zukunft ihres Sohnes abzusichern. Entschlossen, Daddy nicht unter der Abwesenheit seines Vaters leiden zu lassen, nahm Grandma sich vor, ihm die beste Ausbildung zukommen zu lassen, die sie sich leisten konnte. Sie arbeitete in zwei Firmen als Buchhalterin, um ihr einziges Kind auf die besten katholischen Schulen auf Long Island schicken zu können.
    Auf der Chaminade High School , einer Schule mit dem Ruf, streng und elitär zu sein, teilte Daddy die Schulbank und das soziale Leben einer so wohlhabenden Clique, in der alle reicher waren, als er es sich je hätte vorstellen können. Die meisten seiner Klassenkameraden wurden an ihrem sechzehnten Geburtstag mit schnellen Autos beschenkt, wohingegen Daddy zwei verschiedene Busse nahm und seine Mutter darum betete, dass die monatliche Schulgebühr nicht vor dem Eingang ihrer Lohnschecks abgebucht wurde.
    Die Ironie an der Sache war, dass diese Oberschicht-Privatschulen-Kulisse, sosehr sie dazu dienen sollte, Daddy in die Ausgangsposition für ein erfolgreiches Leben zu bringen, meinen Vater für immer gegen sich selbst aufbrachte: In diesem Umfeld wurde er sowohl zum Intellektuellen als auch zum Drogenkonsumenten.
    In seiner späten Jugend las Daddy die großen amerikanischen Klassiker. Er verbrachte die Ferien in den Strandvillen seiner Mitschüler und ignorierte die nicht enden wollenden Anrufe seiner
Mutter. Und als Zeitvertreib schmiss er unter der unüberdachten Tribüne des Fußballplatzes der Schule ein paar Amphetamine ein.
    Obwohl er immer eine schnelle Auffassungsgabe gehabt hatte und viel von seiner gründlichen Erziehung hängen geblieben war, behinderten die Drogen seine Konzentrationsfähigkeit, und deshalb erledigte er seine Hausaufgaben schlampig und döste während des Unterrichts. Im letzten Schuljahr bewarb sich Daddy an einem College mitten im Herzen von New York City und wurde angenommen. Als die Abschlussprüfung anstand, bekam er das Zeugnis mit Ach und Krach.
    Manhattan sollte sein richtiger Start ins Leben sein und das College sein Sprungbrett. Aber es dauerte nicht lang, und seine Highschool-Kulisse baute sich erneut um ihn herum auf. Nur war er diesmal älter und wohnte nicht in den Vororten von Baldwin, New York, sondern lebte mittendrin. Innerhalb weniger Jahre setzte Daddy seine Fähigkeiten schließlich mehr und mehr für den Drogenhandel als für sein Studium ein. Langsam stieg er in die Führungsetage einer kleinen Clique von Rauschgifthändlern auf. Als das Gruppenmitglied mit der besten Bildung bekam er den Spitznamen »Professor« verpasst und wurde als Anführer respektiert. Er war derjenige, der die Strategien für ihre Verkaufsprojekte aufzeichnete.
    Daddy verließ das College nach zwei
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