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Allmen und die Dahlien (German Edition)

Allmen und die Dahlien (German Edition)

Titel: Allmen und die Dahlien (German Edition)
Autoren: Martin Suter
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kam vor, dass er auch vormittags Termine wahrnehmen musste und für das Frühstück auf María Morenos Hilfe angewiesen war. Nicht, dass er damit nicht allein zurechtgekommen wäre, aber Selbstzubereitetes schmeckte Allmen nicht.
    Heute war ein solcher Tag, an dem er fürs Viennois keine Zeit hatte. Er war bereits auf zehn Uhr fünfzehn zu einem Termin bestellt.
    Am Vortag hatte eine Frau Talfeld angerufen und um einen Termin mit »Herrn von Allmen persönlich« gebeten. »Dringend«, hatte sie hinzugefügt, am liebsten gleich am nächsten Vormittag.
    María Morenos Anwesenheit hatte einen weiteren Vorteil: Sie sprach neben Spanisch auch recht gut Deutsch und Englisch und war eine begabte Telefonistin und lernfähige Vorzimmerdame. Sie bat Frau Talfeld um Geduld, tat, als würde sie Allmens Agenda konsultieren und zu ihrer eigenen Überraschung auf eine Lücke am nächsten Morgen stoßen. Man verabredete sich auf zehn Uhr fünfzehn im Schlosshotel. Allmen solle an der Rezeption nach Frau Talfeld fragen.
    María brachte ihm ein Spiegelei, denn es war Donnerstag. Allmen aß an jedem Morgen, an dem er zu Hause frühstückte, ein Ei, jedes Mal in einer anderen Zubereitung. Der Einfachheit halber hatte er den Wochentagen ihr Ei zugeteilt: dem Montag sein Rührei, dem Dienstag sein Ei im Glas, dem Mittwoch sein pochiertes Ei auf Toast, dem Donnerstag sein Spiegelei, dem Freitag sein weiches Ei, dem Samstag sein Kräuteromelett und dem Sonntag seine huevos rancheros . Letztere waren zwei am Schluss kurz gewendete Spiegeleier mit einer pikanten Tomatensauce. Eine guatemaltekische Spezialität, in der es Carlos zur Meisterschaft gebracht hatte, weshalb Allmen sie dem Sonntag zugeteilt hatte.
    Allmen aß sein Ei und blätterte mit der Linken in der Zeitung. Nichts, was ihn auch nur im Geringsten interessierte. Auch das ein Zeichen dafür, dass es kein guter Tag war. Er schob Zeitung und Teller beiseite, schenkte sich Kaffee nach und sah über die dichtgedrängte Sitzgruppe hinweg durch das Fenster in den Park.
    Es war ein stürmischer Apriltag. Der Wind streute die weißen Blütenblätter der Magnolien in den frischgemähten Rasen. Noch am Vortag war das Thermometer auf über zwanzig Grad gestiegen, und Allmen konnte zum ersten Mal einen der Anzüge ausführen, die er sich für diesen Sommer von seinem römischen Schneider hatte anfertigen lassen. Jetzt trug er schon wieder einen seiner englischen Kaschmiranzüge für die Übergangszeit.
    Er hörte die Klingel und den kurzen Dialog durch die Gegensprechanlage von María Moreno mit Herrn Arnold, seinem Lieblingstaxifahrer mit dem achtundsiebziger Cadillac Fleetwood. Er hätte jetzt aufstehen und seinen Mantel holen können, aber er zog es vor, die Form zu wahren und zu warten, bis María das Zimmer betrat und sagte: » Su carro, Señor John.« Ihr Wagen.
    Allmen wischte sich den Mund, erhob sich vom Stuhl und knüpfte das Jackett zu. » Muchas gracias, María.«
    »Buen provecho«, antwortete sie, folgte ihm in die kleine Diele und wartete, bis er seine Erscheinung ein letztes Mal im Garderobenspiegel überprüft hatte. Dann half sie ihm in den Mantel.
    Am Gartenweg entlang wuchsen Primeln und Schlüsselblümchen. Er führte durch den nützlicheren Teil des parkähnlichen Gartens zum repräsentativen und an einem exakt geschnittenen Buchs zu der Stelle, wo der schmale Weg in den breiteren mündete, der die verzierte Eingangstür der Villa mit dem schmiedeeisernen Tor verband.
    Vor dem Haus stand der gepflegte Fleetwood. Herr Arnold wartete neben der rechten hinteren Tür.
    Als Allmen sich auf die weinrote Sitzbank sinken ließ, fühlte er sich etwas besser. Es roch nach Lederöl und Holzpolitur, und Herr Arnold fuhr schweigsam und umsichtig durch die Dreißigkilometerzonen des Villenviertels hinunter in die Stadt und am Seeufer entlang bis zum Schlosshotel.
    2
    Das Haus hatte einst zu den ersten der Stadt gehört, aber man hatte während all der Jahre nichts für die Anpassung an die Standards seiner Kategorie getan, so dass es seinen fünften Stern verloren hatte. Auf die Preispolitik hatte dieser Rückschlag keine Auswirkungen, das Schlosshotel blieb in der höchsten Preisklasse. Dadurch war es bald für Viersternegäste zu teuer und für Fünfsternegäste zu verstaubt. Und die alten, treuen Stammgäste starben dem Hotel langsam weg.
    Ein doorman in taubengrauer Uniform öffnete die Tür. »Willkommen im Schlosshotel.«
    Allmen steckte Herrn Arnold ein Trinkgeld zu und bat
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