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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
Autoren: Michail Gorbatschow
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gefalle ihnen. Wenn sie keinerlei Beanstandungen gehabt hätten, hätte ich das als Wunsch gewertet, mir nach dem Mund zu reden, um mich zu unterstützen. Aber neben der positiven Bewertung hat es durchaus auch sehr nützliche Kritik gegeben, die ich bei der Schlussredaktion nach Möglichkeit berücksichtigt habe.
    Ich hoffe, es ist mir gelungen, eine umfassende Vorstellung von der Geschichte meines Lebens zu geben. Dieses Buch ist meine Antwort auf die Frage nach den Faktoren, die letztlich ausschlaggebend waren für meinen politischen Weg.

Teil I
    Meine Universitäten

1 . Kapitel
    Wo ich herkomme
    Von den etwas über achtzig Jahren meines Lebens habe ich zweiundvierzig in der Region Stawropol verbracht, die anderen in Moskau. Im Nordkaukasus treffen verschiedene Kulturen und Religionen aufeinander. Die facettenreiche Geschichte dieser Region hat mich immer lebhaft interessiert.
    Mit der Erstarkung des Russischen Reiches suchten die Kaukasusvölker Schutz bei ihm vor allen möglichen Eroberern. Im August 1555 kehrte Andrej Schtschepetow, von Iwan dem Schrecklichen in den Nordkaukasus entsandt, mit einer Botschaft der Fürsten von Adygeja zurück. Der Zar erklärte das Reich von Pjatigorsk zu russischem Territorium. Die russische Seite legte Grenzbefestigungen an. Unter Katharina der Großen begann der Bau der Grenzlinie von Asow bis Mosdok mit sieben Festungen, darunter die Festung von Stawropol. Die ersten Grenzwächter waren Kosaken vom Fluss Chopjor (Gouvernement Woronesch) und Grenadiere des Wladimir-Regiments (Gouvernement Wladimir).
    Und dann entstand eine Kosakensiedlung nach der anderen. Erst flüchteten die Bauern vor der Leibeigenschaft in den Süden. Später siedelte man sie zwangsweise dort an. Das Gouvernement Stawropol, ein Vorläufer der Region Stawropol, der ich später vorstehen sollte, ist eine relativ späte Verwaltungseinheit des Russischen Reiches. Den Status eines Gouvernements bekam es erst 1848 , Hauptstadt ist das auf dem höchsten Punkt gelegene Stawropol, das von einem vorwiegend ebenen Steppengebiet von 400  Kilometern Länge und 200  Kilometern Breite umgeben ist. Vom eigentlichen Kaukasus trennten es die Ländereien der Terek-Kosaken sowie im Südwesten die Ländereien der Kuban-Kosaken, die Katharina die Große von der Ukraine in den Nordkaukasus umgesiedelt hatte. Im Nordwesten erstreckte sich das Territorium der Don-Kosaken, im Nordosten das Gouvernement Astrachan.
    Die Region Stawropol gehört zum Nordkaukasus. Sie liegt an der Grenze zwischen Europa und Asien. Im Osten, an der Grenze zu Tschetschenien, gibt es 14  Prozent Sandboden und 31  Prozent Trockensteppe; die restliche Fläche bilden fruchtbare Kastanien- und Schwarzerdeböden.
    Die Winter sind streng. Oft fällt die Temperatur auf minus 20 bis minus 30  Grad. Aber das Hauptproblem sind die heißen Winde, die Staubstürme regenarmer Jahre. Es ist statistisch belegt, dass diese in den letzten hundert Jahren stark zugenommen haben. Der Aprilsturm des Jahres 1898 , der 200 000 Stück Vieh vernichtete, ist in die Geschichte eingegangen. Die Staubstürme des Frühlings 1948 fegten die oberste Schicht des Bodens weg, 1975 / 76 (als ich Erster Sekretär des Regionskomitees der KPDSU war) herrschte eine katastrophale Dürre.
    Zu Beginn des 20 . Jahrhunderts lebten ca. eine Million Menschen in der Region. Das waren im wesentlichen Russen (beziehungsweise »Großrussen«, wie sie damals offiziell hießen), ein Drittel waren Ukrainer (offiziell: »Kleinrussen«), dann Nogaier, Turkmenen, Kalmücken, Armenier, Grusinier, Griechen, Esten, Juden und Polen. Die Deutschen mit ihren großen, reichen Farmen lebten abgesondert von den anderen in der Steppe. Es gab auch reiche russische Höfe. Einer, der seinerzeit ziemlich bekannt war in der Region Stawropol, gehörte der Familie, aus der Solschenizyn stammt. 40  Prozent der Fläche des Gouvernements Stawropol war von Nomaden bevölkert: Nogaiern, Turkmenen und Kalmücken. Die eigentlichen Bergvölker des Kaukasus (Karatschaier, Tscherkessen und Abasinzen) kamen erst in der sowjetischen Zeit hinzu.
    Im Gouvernement lagen zwei Städte (die Stadt Stawropol hatte vor der Revolution etwas mehr als 40 000  Einwohner) und 130  Dörfer, darunter zehn größere (das heißt mit einer Einwohnerzahl von bis zu 15 000 ). Es gab elf Bahnstationen, neun Telegrafenämter, 21  Postämter, 22 staatliche Ärzte in der Stadt, zu denen ebenso viele frei praktizierende hinzukamen, ein paar
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