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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition)
Autoren: Chinua Achebe
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verschrumpelten, faserigen Ernteresten des Vorjahres. Kochgeschirr, Kalabassen und Holzschalen wurden gründlich gereinigt, besonders die Holzmörser, in denen die Yams zerstoßen wurden. Fufu [60]   und Gemüsesuppe waren die Hauptspeisen des Fests. Davon bereiteten alle so viel zu, dass, ganz gleich, wie reichlich die Familie sich bediente oder wie viele Freunde und Verwandte aus den benachbarten Dörfern eingeladen wurden, am Abend dennoch Unmengen übrig blieben. Man erzählte sich die Geschichte des wohlhabenden Mannes, der seinen Gästen einen so hohen Berg Fufu vorgesetzt habe, dass diejenigen auf der einen Seite nicht sehen konnten, was auf der anderen geschah, und erst am späten Abend erblickte einer von ihnen erstmals einen Verwandten, der während des Festmahls eingetroffen und sich auf der anderen Seite niedergelassen hatte. Da erst konnten sie sich begrüßen und über den abgetragenen Fufuberg hinweg die Hand reichen.
    Das Fest der Neuen Yams war daher in Umuofia Anlass zu großer Freude. Von jedem Mann mit starkem Arm, wie die Igbo sagen, erwartete man, dass er in Scharen Gäste von nah und fern einlud. Okonkwo bat stets die Verwandten seiner Frauen zum Fest, und da er inzwischen drei Frauen hatte, wurden recht viele Gäste erwartet.
    Doch konnte sich Okonkwo irgendwie nie ganz so für diese Feste begeistern wie andere. Er war ein starker Esser, und er vertrug die eine oder andere große Kalabasse Palmwein. Doch ihm behagte nicht, tagelang herumzusitzen und auf ein Fest zu warten oder darauf, dass es vorbeigehe. Viel lieber hätte er auf seinen Feldern gearbeitet.
    Nur drei Tage blieben bis zum Fest. Okonkwos Frauen hatten Mauern und Hütten mit rotem Lehm berieben, bis sich in ihnen das Licht spiegelte. Sie hatten sie sodann mit Mustern in Weiß, Gelb und Dunkelgrün [61]   verziert. Danach begannen sie, sich selbst zu schmücken: mit dem Rot des Cambalholzes [62]   und darüber wunderschönen schwarzen Mustern auf Bauch und Rücken. Auch die Kinder wurden herausgeputzt, besonders das Haar, das zu kunstvollen Mustern geschoren wurde. Die Frauen unterhielten sich angeregt über die eingeladene Verwandtschaft, und die Kinder frohlockten, weil diese Besucher aus dem Mutterland sie verwöhnen würden. Ikemefuna war ebenso aufgeregt. Das Yams-Fest schien hier eine viel größere Sache zu sein als in seinem eigenen Dorf, ein Ort, der in seiner Vorstellung in immer größere Ferne rückte.
    Dann brach der Sturm los. Okonkwo, der voll verhaltener Wut ziellos auf dem Hof herumgeirrt war, fand endlich einen Grund, Anstoß zu nehmen.
    »Wer hat die Bananenstaude zerstört?«, fragte er.
    Ungute Stille legte sich über den Hof.
    »Wer hat die Staude zerstört?«, frage ich. »Seid ihr alle taub und stumm?«
    In Wahrheit fehlte der Staude nichts. Oder es fehlten ihr nur die paar Blätter, die Okonkwos zweite Frau abgeschnitten hatte, um Speisen darin einzuwickeln, und das sagte sie auch. Ohne ein weiteres Wort verprügelte Okonkwo sie so gründlich, dass sie und ihre einzige Tochter bald in Tränen aufgelöst waren. Keine der anderen Frauen wagte es, sich einzumischen, bis auf ein gelegentliches und vorsichtiges, aus sicherer Entfernung vorgebrachtes Flehen: »Es ist genug, Okonkwo.«
    Nachdem er seiner Wut freien Lauf gelassen hatte, beschloss Okonkwo, jagen zu gehen. Er besaß ein altes, verrostetes Gewehr, angefertigt von einem geschickten Schmied, der sich vor langer Zeit in Umuofia niedergelassen hatte. Doch obwohl Okonkwo ein großer Mann war, dessen Fähigkeiten niemand bestritt, war er kein Jäger. In Wahrheit hatte er mit seinem Gewehr noch nie auch nur eine Ratte erlegt. Als er daher nach Ikemefuna rief und ihn das Gewehr bringen hieß, murmelte die soeben geschlagene Frau etwas von Gewehren, die nie losgingen. Zu ihrem Pech hörte Okonkwo die Bemerkung, stürzte in seine Hütte zum geladenen Gewehr, kam sogleich wieder herausgelaufen und zielte, gerade als sie sich hinter die Sockelmauer des Speichers rettete. Er drückte ab, und der laute Knall wurde vom Wehgeschrei seiner Frauen und Kinder begleitet. Okonkwo warf das Gewehr hin und sprang in den Speicher; da lag sie, schlotternd und verstört, aber unverletzt. Er seufzte schwer und zog mit seinem Gewehr davon.
    Trotz des Vorfalls wurde das Fest der Neuen Yams von Okonkwos Haushalt freudig begangen. In der Frühe opferte er den Ahnen neue Yams und Palmöl und bat für das kommende Jahr um Schutz für sich, seine Kinder und ihre Mütter.
    Im
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