Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition)
Autoren: Chinua Achebe
Vom Netzwerk:
Ezinmas Feuer stieg nun dicker Rauch auf. Sie fächelte weiter, bis das Holz aufflammte. Nwoyes Mutter dankte ihr, und das Mädchen kehrte in die Hütte seiner Mutter zurück.
    In diesem Moment drang der Klang ferner Trommelschläge zu ihnen. Er kam vom ilo , dem Dorfplatz. Jedes Dorf hatte seinen ilo , so alt wie das Dorf selbst, wo die großen Feste und Tänze stattfanden. Die Trommeln rollten im unverwechselbaren Takt des Ringkampftanzes – leicht, rasch und freudig erregt trug der Wind ihn herüber.
    Okonkwo räusperte sich und stampfte im Takt der Trommeln. Sie erfüllten ihn seit seiner frühsten Jugend mit Feuer. Er bebte vor Verlangen, zu besiegen und niederzuringen. Es war wie das Verlangen nach einer Frau.
    »Wir kommen zu spät zu den Ringkämpfen«, sagte Ezinma zu ihrer Mutter.
    »Vor Sonnenuntergang fangen sie nicht an.«
    »Aber sie schlagen die Trommeln.«
    »Ja. Die Trommeln setzen mittags ein, aber mit den Ringkämpfen warten sie, bis die Sonne sinkt. Geh und sieh nach, ob dein Vater die Yams für den Nachmittag herausgelegt hat.«
    »Hat er. Nwoyes Mutter kocht schon.«
    »Dann geh und hole unsere. Wir müssen uns beeilen mit dem Kochen, sonst kommen wir zu spät zu den Ringkämpfen.«
    Ezinma lief zum Speicher und brachte zwei Yams von der Sockelmauer.
    Ekwefi schälte sie rasch. Das lästige Geißlein stöberte umher und wühlte in den Schalen. Ekwefi schnitt die Yams in kleine Stücke und setzte mit etwas Huhn den Eintopf an.
    In diesem Augenblick hörten sie jemanden unmittelbar außerhalb der Hofanlage weinen. Es klang sehr nach Obiageli [64]   , der Schwester Nwoyes.
    »Höre ich da nicht Obiageli weinen?«, rief Ekwefi über den Hof Nwoyes Mutter zu.
    »Ja«, antwortete diese. »Sie wird wohl ihren Wasserkrug zerbrochen haben.«
    Das Klagen war jetzt sehr nah, und bald trafen der Reihe nach die Kinder ein, auf den Köpfen je nach Alter Krüge verschiedener Größen. Zuerst kam Ikemefuna mit dem größten Krug, gefolgt von Nwoye und seinen beiden jüngeren Brüdern. Obiageli war die Letzte der Reihe, und ihr Gesicht war tränenüberströmt. In der Hand hielt sie das Tuchbündel, auf dem der Krug hätte ruhen müssen.
    »Was ist geschehen?«, fragte ihre Mutter, und da erzählte Obiageli ihre traurige Geschichte. Ihre Mutter tröstete sie und versprach, ihr einen neuen Krug zu kaufen.
    Nwoyes jüngere Brüder wollten der Mutter gerade die wahre Geschichte des Missgeschicks erzählen, doch Ikemefuna sah sie streng an, und da schwiegen sie. Tatsächlich hatte nämlich Obiageli mit ihrem Krug inyanga [65]   betrieben. Sie hatte ihn auf dem Kopf balanciert, die Arme vor der Brust verschränkt und sich dann in der Hüfte gewiegt wie eine junge Frau. Als der Krug gefallen und zerbrochen war, hatte sie lauthals gelacht. Erst als sie alle sich dem Irokobaum vor dem Hof näherten, war sie in Tränen ausgebrochen.
    Unverändert waren die Trommeln zu hören, eindringlich, unwandelbar. Ihr Klang war nun nicht mehr vom Leben des Dorfs geschieden. Er war vielmehr dessen Herzschlag. Er pulsierte in der Luft, im Sonnenlicht, selbst in den Bäumen, und er belebte das Dorf mit Vorfreude.
    Ekwefi schöpfte die Portion Eintopf für ihren Mann in eine Schale und bedeckte sie. Ezinma trug sie in sein obi .
    Okonkwo saß auf einem Ziegenfell und aß bereits das Mahl seiner ersten Frau. Obiageli, die es ihm aus der Hütte ihrer Mutter gebracht hatte, saß auf der Erde und wartete darauf, dass er fertig würde. Ezinma setzte ihm die Speise ihrer Mutter vor und ließ sich neben Obiageli nieder.
    »Sitz gefälligst wie eine Frau!«, herrschte Okonkwo sie an. Ezinma schloss die Beine und streckte sie vor sich aus.
    »Vater, gehst du zum Ringkampf?«, fragte Ezinma nach einer angemessenen Pause.
    »Ja«, sagte er. »Und du?«
    »Ja.« Nach einer neuerlichen Pause fragte sie: »Darf ich deinen Schemel tragen?«
    »Nein, das ist eine Aufgabe für Jungen.« Okonkwo war Ezinma besonders zugeneigt. Sie glich sehr ihrer Mutter, die einst die Dorfschönheit gewesen war. Doch er zeigte seine Zuneigung nur äußerst selten.
    »Obiageli hat heute ihren Krug zerbrochen«, sagte Ezinma.
    »Ja, sie hat es mir erzählt«, sagte Okonkwo zwischen zwei Bissen.
    »Vater«, sagte Obiageli, »man soll nicht sprechen, wenn man isst, sonst kann man sich am Pfeffer verschlucken.«
    »Das ist sehr wahr. Hörst du, Ezinma? Du bist älter als Obiageli, aber sie ist vernünftiger, als du es bist.«
    Er nahm den Deckel von der Schale seiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher