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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition)
Autoren: James Salter
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Tief aus dem Meer kam eine ungeheure Explosion und ein so heller Lichtstrahl, dass man es bis nach Kyūshū sehen konnte, als die Magazine barsten. Eine Flammensäule stieg eine Meile weit in den Himmel, eine biblische Säule, die Luft voll rotglühender Stahlteile, die auf sie niederregneten. Wie ein Echo kam aus der Tiefe eine zweite Explosion, und dicker Rauch strömte auf.
    Ein paar Männer, die nicht mit dem Sog nach unten gezogen worden waren, schwammen immer noch. Sie waren schwarz vom Öl und husteten in den Wellen, ein paar von ihnen sangen Lieder.
    Sie waren die einzigen Überlebenden. Weder der Kapitän noch der Admiral waren unter ihnen. Der Rest der dreitausend Männer war in dem leblosen Rumpf des Schiffs bis auf den Grund gesunken.
    Die Nachricht von der Versenkung der Yamato verbreitete sich schnell. Es war das Ende des Kriegs auf See.
    Bowmans Schiff war eines der vielen, die in der Bucht von Tokio vor Anker gingen, als der Krieg zu Ende war. Danach nahm es noch einmal Kurs auf Okinawa, um auf dem Heimweg die Truppen einzusammeln. Bowman nutzte die Gelegenheit, in Yokohama an Land zu gehen und sich einen Teil der Stadt anzusehen, oder das, was von ihr übrig war. Er wanderte Block um Block an Grundmauern vorbei. Der Geruch von Tod und verbrannten Trümmern lag in der Luft. Unter den wenigen Dingen, die nicht zerstört worden waren, befanden sich die Stahlkammern der Bank, auch wenn das Gebäude selbst verschwunden war. Im Rinnstein lagen Reste von verbranntem Papier, die Banknoten, es war alles, was von dem imperialen Traum übrig geblieben war.

2. Die große Stadt
    »Unser Held«, rief sein Onkel Frank mit offenen Armen und drückte ihn an sich.
    Es war ein Begrüßungsessen.
    »Ein Held nun nicht gerade«, sagte Bowman.
    »Aber sicher. Wir haben alles über dich gelesen.«
    »Über mich gelesen? Wo?«
    »In deinen Briefen!«, sagte sein Onkel.
    »Frank, lass mich mal!«, rief seine Tante.
    Sie kamen aus dem Fiori, ihrem Restaurant bei Fort Lee, das, in rotem Plüsch gehalten, bis zum Schluss Stücke aus Rigoletto und Il Trovatore spielte, wenn die letzten, leise miteinander sprechenden Paare aufbrachen, letzte, melancholische Paare und ein paar wenige Männer an der Bar. Frank war sein Onkel aus Kindertagen. Er war stämmig, mit gutmütigem Humor, er hatte in Jersey City an der juristischen Fakultät studiert, das Studium aber abgebrochen, da er lieber Koch werden wollte, und manchmal, wenn er in der Stimmung war, ging er im Restaurant nach hinten in die Küche, um selber zu kochen, seine eigentliche Leidenschaft aber galt der Musik. Er war dunkelhaarig, mit breiter, runder Nase und schütterem Haar. Er hatte sich selbst das Klavierspiel beigebracht und saß glücklich vor dem Instrument, seine dicken, mit kräftigen schwarzen Haaren bewachsenen Finger behände auf den Tasten.
    Der Abend war voller Wärme, es wurde viel erzählt. Seine Mutter Beatrice, seine Tante und sein Onkel hörten den Geschichten zu, all die Orte, an denen Bowman gewesen war – wo war San Pedro? Hatte er japanisches Essen probiert? –, und tranken Champagner, den Frank noch aus den Tagen vor dem Krieg aufbewahrt hatte.
    »Du weißt nicht, wie besorgt wir die ganze Zeit waren«, erklärte seine Tante Dorothy – Dot, wie sie genannt wurde. »Wir haben jeden Tag an dich gedacht.«
    »Wirklich?«
    »Wir haben für dich gebetet«, sagte sie.
    Sie und Frank hatten keine eigenen Kinder, er war im Grunde wie ein Sohn für sie. Jetzt waren ihre Ängste vorüber, und auch die Welt war scheinbar noch dieselbe, vertraut und unbedeutend, die gleichen Häuser und Straßen, all das, woran er sich erinnerte und was er seit seiner Kindheit kannte, nicht weiter bemerkenswert und doch ganz sein. In manchen Schaufenstern hingen goldene Sterne für Söhne oder Männer, die gefallen waren. Neben den vielen Fahnen waren sie so gut wie das einzige Zeugnis dessen, was geschehen war. Sogar die Luft schien unverändert, unbewegt und vertraut, die Highschool und Grammar School mit ihren schmucklosen Fassaden. Er fühlte sich dem allen irgendwie überlegen und gleichzeitig verbunden.
    Seine Uniform hing im Schrank, seine Mütze lag auf dem Bord darüber. Er hatte sie getragen, als er noch Mister Bowman war, ein einfacher Lieutenant zur See, aber respektiert und sogar bewundert. Lange nachdem die Uniform ihre Autorität und ihren Glanz verloren hatte, behielt die Mütze merkwürdigerweise ihre Kraft.
    Auch in seinen Träumen, die noch lange
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