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Alles kam ganz anders

Alles kam ganz anders

Titel: Alles kam ganz anders
Autoren: Berte Bratt
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daß Marcus mit Bisken und Eierkorb verschwand, und daß Papa seinen Wagen startete. In der ganzen Familie herrschte freudige Aufregung!
    Während ich wischte und putzte und den Staubsauger laufen ließ, ging ich meinen eigenen Gedanken nach. Wenn nun Ingo zum Wochenende käme? Nun ja, dann müßte er eben in Papas Filmwerkstatt schlafen, da war ja eine Couch. Gar nicht so übel! Da könnte ich ihn ja auch besuchen…
    Was solche Besuche bedeuteten, nun ja, das war kein Geheimnis. Meine Eltern waren nicht von gestern, und schließlich waren sie auch selbst einmal jung gewesen. Und es war ihnen sehr bewußt, daß die Zeiten und gewisse Begriffe sich geändert haben.
    Ein einziges Mal war dieses Thema zwischen Mama und mir zur Sprache gekommen. Ich hatte Ingo in Lübeck besucht, und als Mama fragte, wie es seiner Mutter ginge – sie hatte vor kurzem eine Grippe gehabt -. sagte ich die Wahrheit. Sie sei gar nicht dagewesen, sie hätte übers Wochenende eine Freundin besucht.
    „Dann wart ihr also allein“, sagte Mama.
    „Ja. Mamachen. Wir waren allein.“
    Mama schwieg. Aber ich sprach weiter.
    „Mama jetzt weiß ich genau, was du denkst. Und ich kann ganz klar darauf antworten. Ich liebe Ingo, und ich werde ihn heiraten. Das, was du glaubst, stimmt natürlich. Erstens möchte ich dir sagen, daß du keine Angst haben sollst. Ich kriege kein Kind – das heißt, hoffentlich kriege ich eins, aber erst, wenn wir verheiratet sind. Und zweitens sollst du dich freuen, weil ich diesen sehr wesentlichen Teil des Lebens in… in… nun ja, sagen wir… in Schönheit kennengelernt habe! Ich hätte mich nie, aber auch nie mit einem Mann einlassen können, den ich nicht liebte! Ich weiß, viele Mädchen leben mit ihrem Freund zusammen, nur weil andere es tun, nur weil sie nicht als Spätentwickler dastehen wollen. Sie wollen mitreden können. In meiner Klasse sind ein paar solche Mädchen. Und das mit dem ,Mitreden’ finde ich widerlich! Es gibt Dinge, die so schön sind, daß man einfach nicht darüber redet! Habe ich nicht recht?“
    „Doch, das hast du! Unbedingt.“ Mamas Stimme war leise.
    „Ich weiß“, fuhr ich fort, „daß man es früher unmoralisch nannte, und man sollte hübsch warten, bis man verheiratet war. Aber Mama, sag ehrlich, findest du das moralisch? Kein Mensch erwartet, daß ein junger Mann wie ein Mönch leben soll. Und was war das Resultat? Daß der arme Mann von früher während der Verlobungszeit zu Frauen ging, die er für ihre… ihre… sagen wir Dienstleistungen, bezahlte. Nur weil das Mädchen, das er liebte, und sich nach ihm sehnte, ,rein’ bleiben sollte. Wäre sie vielleicht weniger ,rein’, wenn sie mit dem Mann, den sie doch heiraten wollte, das größte Glück des Lebens kennengelernt hätte?“
    „Kleines Elainchen“. sagte Mama und streichelte mir die Wange. Sie lächelte ein bißchen. „Ich muß mich wohl so langsam an den Gedanken gewöhnen, daß ich eine erwachsene Tochter habe“, fügte sie leise hinzu.
    Ich hatte oft an dieses Gespräch gedacht. Und ich war so froh darüber, daß ich mit meiner Mutter so offen und ehrlich sprechen konnte. Mama verstand mich immer.
    Der Staubsauger brummte, unten brummte die Waschmaschine und wusch die Gardinen aus dem Fremdenzimmer. Wie freute ich mich auf Grand-mère! Es klingt vielleicht komisch, daß ein Mädchen sich auf den Besuch ihrer Urgroßmutter freuen kann, aber meine Urgroßmutter ist nun mal ein Unikum! Mama behauptet, daß Grand-mère jedes Jahr jünger wird! Bei der großen Familienfeier vor einem Jahr, an ihrem achtzigsten Geburtstag – bei dem ich leider nicht dabei war – war Grand-mère die Lebhafteste von allen gewesen, voller Späße, voll Fröhlichkeit, geistreich und schlagfertig, herzlich und voll Liebe. Man konnte immer so wunderbar mit Grand-mère reden, sie hielt den Kontakt mit der Jugend aufrecht, interessierte sich immer für unsere Problemchen, unsere Arbeit und unsere Hobbys. Ja, ich freute mich ganz schrecklich auf sie!
    Ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen. Mein Bruder erschien auf der Bildfläche mit dem Gesichtsausdruck, der mir verriet, daß er etwas fragen wollte. Hoffentlich war es nicht allzu kompliziert! Was soll man antworten, wenn ein Kind fragt „was macht der Wind, wenn er nicht weht“ oder „wie kann die Sonne wissen, wann sie aufgehen soll?“
    Diesmal waren seine Fragen zum Glück der augenblicklichen Situation angepaßt.
    „Elaine, was bedeutet eigentlich
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