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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras
Autoren: Christian Mähr
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den Leitungsposten innehatte. Und dass eben er jene Helga verführte, die dem nichts entgegenzusetzen hatte, das Fremdartige nicht zu erkennen vermochte – mit der seiner Art eigenen Schlauheit hatte sich Galba genau das richtige Opfer ausgespäht, mit seiner schalen Weltläufigkeit und Angeberei umgarnt. Natürlich war sie ihm erlegen, glaubte alles, was er ihr erzählte, weil sie arglos war: ein Erbteil auch dies, die angeborene Güte der nordischen Frau.
    Aber damit würde es nun ein Ende haben. Roland Mathis hatte nun Gelegenheit, das Reden auf den Versammlungen,das Schreiben in den einschlägigen Foren gegen die Tat zu tauschen. Das würde er tun. Schon am nächsten Tag.

    *

    Outdoor. Der Juli gehörte ihnen, August, September. Danach würde er sich etwas überlegen. Eine Lösung finden. Er oder sie, daran hatte er keinen Zweifel. Sie kamen aus demselben Stall, beide Techniker, dachten lösungsorientiert. Er hätte sie vor zwanzig Jahren kennenlernen sollen. Aber das wäre ja nicht gegangen, vor zwanzig Jahren ging sie noch zur Schule, er war ihr nicht begegnet, dafür Hilde, die hatte er nach ausgedehnter Verlobungszeit, wenn man das so nennen wollte, geheiratet. Da war er schon dreißig gewesen. Seine Eltern wollten Enkelkinder. Sein Vater war Zahnarzt, aber nur, weil er im letzten Moment , wie er selber oft erzählt hatte, darauf gekommen war, dass er die Belastungen des eigentlich angestrebten Chirurgenberufs nicht ertragen würde; vom einzigen Sohn erwartete er, diese Scharte auszuwetzen und ein richtiger Mediziner zu werden, also Chirurg. Es ging nicht ums Geld, sondern ums Renommee, die interne medizinische Werteskala; schon während der Gymnasialzeit hatte sein Vater immer wieder davon gesprochen, wie das sein würde, wenn sein Sohn die erste Operation allein durchführen würde und so weiter … Den Sohn zog es zur Technik, Medizin interessierte ihn nicht, keine ihrer Sparten. Der Vater hatte dann nachgegeben, so schnell, dass es den Sohn, der auf einen langen Kampf eingestellt war, überrascht hatte wie nichts im Leben bis zu diesem Zeitpunkt. Daraus entstand ein diffuses Scham-, fast ein Schuldgefühl, auch, weil als Studienort Wien akzeptiert wurde statt der vom Vater bevorzugten Stadt Innsbruck, wo dieser über zahlreiche Verbindungen verfügte, im CV natürlich, wasder Sohn hätte alles nützen können, aber ausschlug, nicht weil er politisch links gewesen wäre, sondern weil ihn der Kartellverband genauso wenig interessierte wie sonst alles Politische. Dann wegen der Zweizimmerwohnung, die im 15. Bezirk gekauft wurde, renovierter Altbau im vierten Stock in der Guntherstraße. Und wegen des Geldes. Zu einer Zeit, da ein großer Teil der Studentenschaft sich schon in Jobs verzetteln musste, um den Lebensunterhalt zu verdienen, residierte Anton Galba nicht nur in einer eigenen Wohnung, er erhielt auch regelmäßige Überweisungen. Großzügige. Er brauchte nicht zu jobben, nicht einmal in den Ferien.
    Und dann, trotz, vielleicht auch wegen dieser hervorragenden Bedingungen ging es im Studium nicht so voran, wie er sich das gedacht hatte. Statt in Rekordzeit abzuschließen, ließ er fünfe gerade sein, verbummelte zwei Semester, wurde aber nicht zur Rede gestellt. Von der Mutter, die ihn vergötterte, sowieso nicht, aber auch nicht vom Vater, der ihn nur zu jeder dann doch bestandenen Teilprüfung beglückwünschte, als sei das ein kleiner Nobelpreis. All das war kontraproduktiv und hätte ihn fast aus der Bahn geworfen. Anton Galba wunderte sich immer noch, wie er es endlich geschafft hatte, ein Maschinenbaudiplomingenieur zu werden, freilich kein herausragender, das wusste er selber; er fand dann auch nicht sofort eine Stelle, nicht in Österreich, wo zu bleiben er fest entschlossen war. Er wollte nicht weg, suchte aber nicht mit der nötigen Energie, wie er ja auch nicht mit der nötigen Energie studiert hatte (so legte er es sich heute zurecht) – hätte aber beim herrschenden Mangel an Maschinenbauern über kurz oder lang auch bei einem österreichischen Unternehmen einen Posten hinreichender Lukrativität gefunden, wenn nicht sein Vater seine politischen Beziehungen spielen lassen und den Sohn als Leiter der Dornbirner Abwasserreinigungsanlage empfohlenhätte. Es gab zwar eine Ausschreibung, die gibt es immer, aber Anton Galba wäre auch ohne Protektion genommen worden. Er war überqualifiziert. Im Rathaus herrschte Verwunderung, dass sich ein Dipl.-Ing. beworben hatte und mit dem Gehalt
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